
Die Internetausgabe „Pjotr&Mazepa“ veröffentlichte im März 2016 einen interessanten Artikel von Serg Marco unter dem Titel „Wenn die Artilleriegötter die „Totschka U“ aufstellen“. In dem Artikel wurden Einzelheiten des Einsatzes von taktischen Raketensystemen 9K79-1 „Totschka U“ und Raketenwerfern 9K58 „Smertsch“ durch die ukrainischen Streitkräfte gegen die russischen Truppen im Sommer 2014 in Donbass aufgedeckt. Wenn man den Worten des Generalstabsleiters Wiktor Muschenko glaubt, haben die ukrainischen Artilleristen vernichtende Schläge auf Bataillonskampfgruppen der russischen Streitkräfte während der aktiven Phase der russischen militärischen Invasion in die Ukraine ausgeführt.
Die Freiwilligen von InformNapalm beschlossen, den Worten des Generalstabsleiters nachzugehen und den Zeitpunkt der Artillerieangriffe mit den Todesdaten russischer Militärangehöriger oder anderen ungewöhnlichen Zwischenfällen im Bereich der militärischen Medizin gegenüberzustellen, denn die Angriffe mit dieser Art von Waffen werden faktisch immer von grossen Verlusten und einer grossen Anzahl der Verwundeten in den Reihen des Gegners begleitet.
Also fangen wir an.
Am 13.08.2014, im Raum der Ortschaft Snischne entdeckte die Aufklärung des ATO-Stabs eine Batterie BM-21 „Grad“. Auf die Entscheidung der Raketenartillerie und der Artillerie des ATO-Stabs hin hat die 1. Raketendivision der 19. selbstständigen Raketenbrigade der ukrainischen Streitkräfte (Militäreinheit A4239, Chmelnizky) einen einzelnen Raketenangriff ausgeführt und die genannte Batterie vernichtet.
Relativ schnell ist es uns gelungen, eine Bestätigung für den Tod von 4 Militärangehörigen der 17. selbstständigen motorisierten Schützenbrigade der russischen Streitkräfte (Militäreinheit 65384, Schali, Itschkerien) am 13. August 2014 zu finden. Als Bestätigung dient hier das Denkmal, das auf dem Territorium des Militärstädtchens der Brigade aufgestellt wurde. Gerade am 13. August 2014 sind aus unbekannten Gründen, bei der „Ausführung ihrer Pflicht“ die Garde-Feldwebel Dmitry Gontscharow und Ibrahim Dschanhuwatow gestorben, wie auch die gemeinen Soldaten Ahaj Sajithanow und Alexey Upenok (Näheres dazu in unserem Artikel „Inglorious Bastards: Denkmal für die Militärangehörigen der 17. SMSBr in Schali“).
Über dieses Denkmal machte der Twitter-User Euromaidan eine treffende Bemerkung: „5 Jahre ohne Verluste und nun plötzliche August-Infarkte“. Wobei die „August-Infarkte“ rein zufällig mit dem Datum des Angriffs der ukrainischen Streitkräfte mittels „Totschka-U“ auf die russischen Besatzer zusammenfielen…
Gehen wir zur nächsten Episode über:
Nach der Aufgabe von Sahur-Mohyla entdeckte ein Aufklärer unweit von Amwrosijiwka ein Feldlager der russischen Militärgruppierung. Der Aufklärer war zu Fuß und allein unterwegs und setzte sich gleich per Telefon mit seinem Kommandeur in Verbindung.
Am 27.08.2014 um 10:30 Uhr wurde auf das Lager ein mehrfacher Angriff mit den „Totschka-U“ Raketen ausgeführt. Der Aufklärer, der sich in der Nähe des Lagers befand, beobachtete das Feuer. Über die Effektivität des Angriffs zu entscheiden war seinen Worten nach unmöglich, aber das Lager sei komplett erfasst worden. Nach dem Angriff kehrte der Aufklärer zu ukrainischen Stellungen zurück und noch um 7 Uhr abends hörte er, wie Geschosse bzw. Munition an der Stelle des Raketenangriffs detonierten.
Leider habe ich keine Information darüber gefunden, welche Abteilung diesen Angriff ausgeführt hatte, denke aber, dass auch hier die 1. Division der 19. Raketenbrigade der ukrainischen Streitkräfte am Werk war. Nachdem ich diese Information gelesen hatte, erinnerte ich mich gleich an die Mitteilung in der großen Nachrichtenquelle von Sankt-Petersburg „Fontanka“: „Zeugen: Durch Petersburg fahren Rettungswagen in Begleitung von Militärangehörigen“.
Ausschnitt aus diesem Artikel: „Unsere Leser berichten uns über Rettungswagen, die sich durch die Stadt in Begleitung von Militärkraftfahrzeugen bewegen. Die erste Nachricht ging um 18:27 Uhr am Mittwoch, den 27. August, ein. „Über Kamennoostrowski fahren 7 militärische Rettungswagen mit Sirenen und in Begleitung von Militärpolizei,“- schrieb der Einwohner Pawel. Im Telefongespräch präzisierte er, dass die Kolonne aus dem Norden von Sankt-Petersburg kam, wo wie bekannt ein Militärflugplatz liegt. Eine weitere Nachricht erreichte uns einige Stunden später und war mit Fotos der Kolonne ergänzt. „Um circa 9 Uhr abends wurde eine Fahrzeugkolonne mit Sirenen und in Begleitung von Militärpolizei gesichtet, die sich vom Militärflugplatz Lewaschowo in Richtung der Stadt bewegte,“- kommentierte die Fotos unser Leser Sergei. Wie der Notfalldienst, Strassenverkehrsdienst und die Notfallaufnahme gegenüber der „Fontanka“ mitteilten, wurden am 27. August in Petersburg keine extraordinären Zwischenfälle registriert, die zum Einsatz von so vielen Spezialfahrzeugen zum Transport von Verwundeten führen könnten“.
Es kommt darauf hinaus, dass Augenzeugen am 27. August 2014 zwei Fahrzeugkolonnen registriert haben, eine um 18:27 und die andere um 21:00 Uhr. In der ersten Kolonne waren 7 Rettungswagen, wieviele es in der zweiten waren, wurde nicht angegeben. Die Rettungswagen fuhren in Begleitung der Militärkraftfahrzeuge vom Militärflugplatz Lewaschowo, wo das 33. selbstständige Transportgeschwader stationiert ist (mit Flugzeugen An-72, An-30, An-26 und Hubschraubern Mi-8). Auf der Basis der gehackten Daten von russischen Militärangehörigen ist uns bekannt, dass die Verwundeten vom Territorium der Ukraine ins 1602. Militärhospital des Verteidigungsministeriums Russlands in Rostow-am-Don evakuiert werden, woher die Schwerverwundeten in die Militärmedizinische Akademie namens Kirow in Sankt-Petersburg eingeliefert werden (Näheres dazu hier: „Hacker und OSINT-Analytiker decken Einzelheiten der hybriden Geschichte von einem russischen Militärangehörigen auf“).
Höchstwahrscheinlich wurden die Verwundeten am 27. August auf den Militärflugplatz Millerowo gebracht, der in circa 90 km Entfernung von der Stelle des Raketenangriffs liegt.
Auch ist bekannt, dass nach der Militärmedizinischen Akademie die Militärangehörigen zur Rehabilitation ins 442. Militärhospital des russischen Verteidigungsministeriums (Filiale 41) im Dorf Kamenka des Leningrader Gebiets verlegt werden (Näheres hier: „Militärkrankenhäuser der Streitkräfte Russlands – Erholungsorte für die Donbass-„Volkswehr““). Alles nur ein Zufall?
Ein weiterer interessanter Moment: Logischerweise wird die Erhöhung der Verwundetenzahl vom erhöhten Bedarf der Krankenhäuser an Medikamenten begleitet. Schauen wir uns doch mal die öffentlichen Ausschreibungen der Militärmedizinischen Akademie namens Kirow an:
- 28.08.2014: Um 12:38 sehen wir einen elektronischen Auftrag „Sätze, Instrumente, traumatologische Geräte“ Benötigte Summe: 24.953.217 Rubel.
- 21.08.2014 um 12:15: Auftrag: „Blutungsstillende Mittel“. Summe: 12.300.000 Rubel.
- 26.08.2014 um 13:00: Auftrag: „Mittel zur Stimulierung von Blutbildung“. Summe: 13.200.000 Rubel.
- 27.08.2014 um 14:45: Auftrag: „Mittel zur Regenerierung von Knochengewebe“ Summe: 1.265.000 Rubel
Schauen wir uns auch mal die Aufträge des 1602. Militärkrankenhauses des russischen Verteidigungsministeriums in Rostow-am-Don an:
- 28.08.2014: Auftrag für „Verbandmittel zur Blutstillung“ Summe: 832.000 Rubel.
- 03.09.2014: Auftrag für „Nitrofural 0,02% zur äußeren Anwendung, je 200 ml“, der zur Behandlung und Vorbeugung von Entzündung verwendet wird, darunter von Eiterwunden und Verbrennungen des II-III. Grades. Summe: 484.440 Rubel.
Im August 2014 wurde in einigen russischen regionalen Medien über den Tod von zwei Panzerfahrern aus der 21. selbstständigen motorisierten Schützenbrigade (Einheit 12128-zh, Tozkoje-2, Orenburger Gebiet, Zentraler Militärbezirk Russlands) berichtet. Die russische Propaganda behauptet, dass die Militärangehörigen Wasily Karawajew und Abdullah Ismagilow infolge eines Beschusses im Rostower Gebiet an der Grenze zur Ukraine gestorben seien. Das Todesdatum von einem von ihnen ist der 27. August 2014 (Quellen: Link, Link).
Wir möchten daran erinnern, dass Ende August 2014 die 21. Brigade der russischen Streitkräfte zwei Panzer T-72BA nahe Starobeschewe (zwischen Wosnesenka und Gorbatenko, in 20 km Entfernung von Pawlowskoje) des Donezker Gebiets verloren hatte (Näheres dazu: „Das Wetter in Orenburg“ vernichtete die Panzer T-72BA der 21. SMSBr nahe Starobeschewe“). Ein weiterer Panzer T-72BA (diese Panzermodifikation steht im Dienst der 21. selbständigen motorisierten Schützenbrigade – SMSBr) wurde westlicher von Kumatschowe (12 km Entfernung von Pawlowskoje) vernichtet, ebenfalls Ende August 2014.
Das lässt annehmen, dass das Basislager, auf welches der Raketenangriff mit „Totschka-U“ ausgeführt worden war, der 21. selbstständigen motorisierten Schützenbrigade der russischen Streitkräfte gehörte.
Es sieht aus, als ob August 2014 ein Monat von tragischen Zusammenfällen für die 17. und 21. SMSBr der russischen Streitkräfte gewesen war: Wir haben hier mit dem Tod von Militärangehörigen zu tun, die „ihre Pflicht erfüllt haben“, aber unter äusserst seltsamen Umständen gestorben sind. Dann haben wir Verwundete, die in ein Militärkrankenhaus in Sankt-Petersburg eingeliefert wurden, das bereits am nächsten Tag dringend seine Medikamentenreserven auffüllen musste. Wir haben sogar Panzer, die in unmittelbarer Nähe zur Raketenangriffsstelle vernichtet worden sind.
Und als Bonus – ein Video vom Start der Rakete „Totschka-U“ der 19. Raketenbrigade im August 2014:
Dieses Material wurde von Michail Kusnezow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
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