Die Donbass-Krise tritt in eine neue Phase ein. Für eine gewisse Zeit, die für Atempause und Operationen an den anderen Fronten inklusive der syrischen gebraucht wird, setzt der Kreml das Geschehen auf Pause. Wenn jemand von den ortsansässigen Einwohnern irgendwelche Beschwerden deswegen auch gehabt hätte, musste er wohl feststellen, dass sie wenig Wert sind, denn die Pause ist tatsächlich eingetreten. Wobei eine Pause noch lange keine Untätigkeit bedeutet. Auf den Territorien von „DVR“ und „LVR“ finden noch immer faszinierende interne Zusammenstösse in Hinsicht auf „Stürze“ und den darauffolgenden Im-Keller-Eingeschlossenwerden von unkontrollierbaren Gestalten statt. Die Verwertung der überflüssigen menschlichen Ressource wird fortgesetzt. Genau darüber reden wir heute.
An der Stelle wollen wir gleich klarstellen, dass „Verwertung“ nicht unbedingt die physische Vernichtung voraussetzt – in den meisten Fällen wäre sie eh überflüssig. Diese Massnahme wurde nur in Fällen der Kommandeure einzelner bewaffneter Gruppierungen ergriffen, die sich durch solche Eigenwilligkeit oder Willkür ausgezeichnet hatten, welche die Erreichung von taktischen oder strategischen Zielen Russlands im Donbass-Konflikt gefährdete. Dabei setzte die Liquidation oft gar keine direkte Handlung voraus: man brauchte nur die Billigung „Nun ist es erlaubt“, ausgesprochen von irgendeinem Konkurrenten des jeweiligen Opfers aus anderen Gruppierungen dieses freundlichgesinnten Zoos.
So wurden der berüchtigte Bednow („Batman“), Ex-Kommandant von Antrazyt Penischanin („Prapor“) und eine Reihe von anderen weniger bekannten Gestalten der völkischen Folklore ins Jenseits befördert. Die anderen wurden einfach entmündigt, wie Ataman Kosogor. Manchmal gelingt es, all das als die „Arbeit der Ukro-Diversionsgruppen“ abzuschreiben, wie im Fall des „Volksbürgermeisters“ von Perwomajsk Itschschenko, manchmal gelingt es nicht so ganz – wie im Fall der Kosaken, deren Abtransport durch die „Volksmiliz namens Plotnizky“ die ganze Stadt von ihren Balkonen beobachtete.
- Lesen Sie zum Thema: „Waschbären von Chomjakow räumen mit den Kosaken „Neurusslands“ auf“ (dt.)
Bei aller Bedeutung dieses Treibens waren es jedoch nur Einzelfälle der Auseinandersetzungen mit offen unkontrollierbaren Donbass-Atamanen, im Rahmen des Aufspießens der okkupierten Gegenden auf die neue Vertikale der Macht.
Um so mehr, weil die Nachgiebigen und weniger Starkherzigen in den Ruhestand verabschiedet wurden. Diejenigen, die es geschafft haben, eine persönliche Marke zusammenzuschustern – in einen ehrenamtlichen Ruhestand. So hat sich Igor Wsewolodowitsch Girkin wunderbar eingerichtet, der sich aus einem misslungenen Zar Leonid…
…in einen erfolgreichen Politologen…
…und einen glücklichen Frischverlobten umqualifiziert hatte..
Jetzt ist die Situation aber ganz anders. Wenn der Kreml damals die Kontrollierbarkeit des „LVR“/“DVR“-Projekts sorgfältig ausfeilte, wobei er mit einer Laubsäge am lebendigen Fleisch arbeitete, so ist die Aufgabe nun eine andere. Das Projekt „Neurussland“ erfreute sich nur eines mässigen Erfolgs, hat die erklärten Ziele nicht erreicht und wird nun auf „on hold“ Regime gesetzt – bis zur nächsten kaiserlichen Anweisung. Wann diese kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Inklusive der Situation in wesentlich heißeren Gegenden, des Verhaltens der globalen Spieler und der Vorgehensweise von Saudi Arabien auf dem europäischen Erdölmarkt. Bis dahin – Pause.
Etatmäßige Propagandisten, inklusive der aus der „Bandera-Ukraine“ Geflüchteten (die letzten- besonders sorgfältig), klären bereits die mit den Okkupanten mitfühlende Öffentlichkeit auf, warum es so sein muss. Aber in der Praxis kommen selbst bei ihr gewisse Zweifel auf.
Und es geht nicht nur darum, dass die „Neurussländer“ ihr eigenes Lager der abgeschossenen Falken haben, deren Hoffnungen auf irgendeine Karriere und Selbstverwirklichung zusammen mit dem Projekt „Neurussland“ in Form einer Anarchie-Republik dahin schwinden, sondern auch darum, dass immer mehr einfache „neurussische freiwillige Internationalisten“ erfahren, dass sie nun nicht nur im Rahmen der von ihnen im Donbass aufgebauten Baubude-Struktur gar nicht gebraucht werden, sondern auch in ihrer eigenen Heimat (Diese Wechselfälle des Schicksals sind wunderbar im kürzlich erschienen Material von lenta.ru dargelegt worden: „Soll mich doch diese DVR … , ich fahre nach Russland!“)
Mehr noch, sie ziehen nun immer grössere Aufmerksamkeit gewisser Behörden auf sich. Wenn es bislang nur die Freiwilligen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion (Lettland, Belarus, Kasachstan) oder aus dem Ausland (Serbien, Spanien) betraf, so betrifft es nun auch die Russen. Diejenigen, deren Angaben bereits bekannt sind, werden gleich an der Grenze inhaftiert. Die anderen schaffen es noch, sich ein wenig zu entspannen, bevor sie eine Nachricht vom Ermittlungskomitee oder anderen gerichtlichen Instanzen bekommen.
Im Grunde war es zu erwarten. Die Russische Föderation hat sich noch nie durch eine besondere Pietät gegenüber den Veteranen jüngster Kriege ausgezeichnet. Wer darüber streiten mag, kann sich mal die Lage der Afghanistan-Veteranen oder der Veteranen der tschetschenischen Kampagnen ins Gedächtnis rufen, besonders der Invalide. So ein Veteran ist eine zusätzliche Last fürs Budget und eine permanente Gefahrenquelle. Besonders wenn man von der misslungenen Kombination des posttraumatischen Syndroms, der Abwesenheit von gewöhnlichen sozialen Bremsen und dem Vorhandensein der waffentechnischen Kenntnisse ausgeht. In westlichen Ländern gibt es für solche Menschen besondere Adaptierungsprogramme. In Russland, wo man gewohnt ist, psychische Störungen mit Wodka und Autotraining zu kurieren, ist es ausserdem üblich anzunehmen, dass die Veteranen es bis zum nächtlichen Kiosk selber schaffen werden.
Jetzt allerdings, in einer Situation, wo das Land um die eigene Sicherheit sehr besorgt ist, haben die Sicherheitsbehörden sehr aufmerksam darauf zu achten begonnen, dass diese Menschen nicht bis zu einer Militärhandelsorganisation kommen. In jedem Sinne dieses Wortes, inklusive der kürzlich erlangten. Um so mehr, weil viele dieser Menschen keinen Platz im friedlichen Leben gefunden und die Reihen der Verbrecher aufgefüllt haben.
Selbstverständlich ist ein russischer Veteran ein recycable Objekt. Man kann ihn zum Beispiel nach Syrien schicken, wo er noch eine Zeit lang Nutzen bringen wird. Aber das ist eher hinsichtlich der Menschen aktuell, die wenigstens irgendeinen Bezug zur Berufsarmee haben. Die ehemaligen Freiwilligen hinzuschicken ist dagegen wesentlich schwieriger.
Zum Teil verweilen viele Kämpfer eben deshalb noch immer im Donbass. Aber das ist nur eine temporäre Erscheinung. Im Falle der Entscheidung zum endgültigen Abzug werden die „Rückstände“ auch dort entsorgt. Am Ende werden wir eine lehrreiche Story haben, über Tausende Menschen mit dem Gefühl einer erfüllten Bürgerpflicht, die sich selbst in eine Falle hineingetrieben hatten.
Dieses Material wurde von Victor Tregubov exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich. Verbreitung unter Creative-Commons-Lizenz.
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