
Vor 15 Jahren, am 31. Dezember 1999, sagte der russische Präsident Boris Jelzin statt der üblichen Neujahrsansprache unerwartet zu seinem Volk: „Ich gehe!“ Und die Russen erfuhren, dass sie nun einen neuen Zar haben: einen kurzen Blonden mit wässrigen Augen.
Damals, im neunten Jahr der ukrainischen Unabhängigkeit, schien uns, als ob diese ausschließlich russische Geschichte keinerlei Bezug zu den Ereignissen in unserem Land hätte. Wie es sich herausstellte, hatte sie das sehr wohl. Und sogar mehr, als wir es uns vorstellen können. Denn gerade mit dem Machtantritt des kremlischen Zwergs begannen bei uns Sachen zu passieren, für welche wir sehr lange keine Erklärung finden konnten. Erst jetzt verstehen wir: Das Auge des Großen Bruders hat uns all die 24 Jahre unseres von ihm getrennten Lebens wachsam und hassend beobachtet. Und uns geschadet, wo es nur konnte.
All das verdient einer tiefgehenden Untersuchung, und vielleicht sogar eines Buches. Der Autor dieser Zeilen versucht nur ein paar chronologische Koinzidenzen gegenüberzustellen und sich ein paar rhetorische Fragen zu stellen.
Also, kehren wir zurück zu Russland.
«Ein Torheitsakt!“
Was Jelzin bewegte zurückzutreten, ist bis heute unbekannt. Sein behandelnder Arzt beteuerte nach dem Tod von Boris Nikolajewitsch in zahlreichen Interviews, er habe sich über seine Gesundheit nie beklagt und hätte noch mehrere Jahre produktiv arbeiten können. Die wirtschaftliche und politische Situation war nicht so kritisch, dass Jelzins Team nicht damit hätte klarkommen können. Es gab schon schlimmere Zeiten. Heute ist klar: Nicht Jelzin hatte einen Nachfolger für sich vorbereitet. Der alte Liberale wurde ganz einfach dreist vom Platz gedrängt, um diesen Platz für einen gewünschten Menschen freizumachen. Auf das Ende seiner Amtszeit zu warten hatte man keine Zeit: Das Imperium, das sein Versailles durchlebte, forderte eine Revanche.
Wann ist der Vektorwechsel in den russischen Führungsetagen passiert?
Noch im Mai bestand am liberal-demokratischen Kurs von Jelzin keinerlei Zweifel. Sergej Stepaschin wurde Oberhaupt der russischen Regierung, ein altgedienter Demokrat, der dadurch berühmt geworden war, dass er die Ermittlungskommission leitete, die die KGB-Verbrechen untersuchte. Genau ihn hatte die russische politische Szene für die Rolle des Nachfolgers ausersehen. Und plötzlich wird Stepaschin im August aus dem Dienst entfernt – Sergej Wadimowitsch erfährt darüber faktisch als Letzter und ist über diese Nachricht schockiert.
Der neue Premier, ein etatmäßiger FSBler namens Putin, ein Mensch aus jenem System, dessen Verbrechen Stepaschin untersuchte, wird mit Abscheu wahrgenommen. „Die dichte Absurdität der Obrigkeit!“, sagte dazu Juri Luschkow. „Ein Torheitsakt!“, pflichtete dem Hauptstadtbürgermeister Boris Nemzow bei, „Klinik!“, merkte Gennady Sjuganow an. Das schreibt Alexander Kostin in seinem Buch „Putins Schleife“.
Bujnaksk, Moskau, Wolgodonsk und … „Jaroschs Visitenkarte“
Aber das „unscheinbare Männlein“ zeigt sehr schnell seine Kraft. Nach nur einem halben Monat, in der ersten Septemberhälfte, wird Russland durch eine Reihe von Explosionen in Wohnhäusern erschüttert: in Bujnaksk, Moskau und Wolgodonsk. Die Gesamtzahl der Opfer beläuft sich auf 307 Menschen. Putin zeigt auf die Schuldigen – tschetschenische Separatisten. Die Bestätigung wurde, nach seinen Worten, in einem der LKWs mit Sprengstoff gefunden: ein Personalausweis eines der tschetschenischen Anführer. So eine Art „Jaroschs Visitenkarte“.
Viele vernünftige Menschen in Russland waren damals wie heute überzeugt: Der FSB hatte bei dieser Sache seine Hände im Spiel. Der Publizist Andrei Piontkowski und der Rechtsanwalt Michail Trepaschin, die sich mit der Untersuchung von jenen Explosionen beschäftigten, sind überzeugt: der neue Höfling habe die menschlichen Opfer gebraucht, um eine Vollmacht für die Grausamkeiten in Tschetschenien zu erhalten und seine Unersetzbarkeit bei den dreckigsten Geschäften zu zeigen.
Heute versucht man sich in Russland gar nicht daran zu erinnern, dass es viel mehr Opfer hätte geben können. Am 22. September wurden FSB-Mitarbeiter in Rjasan dabei erwischt, wie sie eine weitere Ladung Sprengstoff in den Keller eines Wohnhochhauses brachten. Der durch die Öffentlichkeit an die Wand gedrückte FSB versuchte erst ein paar Tage später murmelnd zu erklären, dass es sich angeblich um „Übungen“ gehandelt habe. Terrorakte gab es aber danach nicht mehr…
Das war die erste Feuerprobe Putins. Später kamen dann viel besser ausgeklügelte Operationen: Beslan, „Nord-Ost“, der Magnitsky-Fall… Der Retter des Vaterlandes vor der „grausamen tschetschenischen Aggression“ wird im Mai 2000 wie erwartet zum vollwertigen Präsidenten Russlands gewählt und befreit sich mit Erleichterung vom unangenehmen Präfix „i.V.“. Und wie es scheint, macht er sich genau in dem Moment ernsthaft an die Ukraine.
Der Mord, der Europa für uns verschlossen hat
…Im November 1999, als Putin auf die Machtübernahme in Moskau vorbereitet wurde, wird Leonid Kutschma in Kyjiw für seine zweite Amtszeit ausgewählt. „Sie werden einen neuen Präsidenten sehen!“, sagt er optimistisch in seiner Antrittsrede. Das „Neue“ in Kutschma hat sich in zwei Dingen offenbart.
Er erläuterte zum ersten Mal in seiner Karriere einen Kurs auf einen EU-Beitritt und fand in dieser Angelegenheit Verbündete bei ukrainischen Patrioten.
An die Spitze der Regierung kam Juschtschenko, Vizepremier für Energiewirtschaft wurde Timoschenko. Den Sitz des Parlamentspräsidenten besetzte Pljuschtsch. Die prorussischen Kräfte wurden langsam aus der Regierung gedrängt. Mit dieser Politik versuchte das Kutschma-Team in seinem dritten Feldzug zur Präsidentschaft die Unterstützung des Landes und des Westens zu bekommen.
Die Idee einer dritten Amtszeit von Kutschma nahm das Volk schlecht auf. Und das wurde von Putin ausgenutzt, der das Abdriften der Ukraine in Richtung Westen nervös beobachtete.
Kutschma wusste nicht, dass seine Kabinettsgespräche bereits aufgenommen wurden. Dass das „digitale Diktiergerät von Melnitschenko“ das Image von Kutschma als einem Europa-Integrierer bereits abschreibt. Der Major verschweigt, wann er das Diktiergerät zum ersten Mal unter das Präsidenten-Sofa legte. Auf allen Aufnahmen, die die Amerikaner erhalten hatten, haben sie zu ihrer Verwunderung nur ein Datum entdeckt: Mitternacht des 1. Januar 1999. Die Experten, die diese Aufnahmen auswerteten, benennen als möglichen Zeitpunkt der frühesten Aufnahme den August 1998. Putin war noch nicht Ministerpräsident, leitete aber schon seit einem Monat den FSB Russlands.
Im September 2000, nach vier Monaten seines vollwertigen Präsidentenamts, war Putin, dessen wichtigster Tagesordnungspunkt die Verhinderung der Eurointegration der Ukraine war, bereit zu handeln.
In dem Moment begannen in Kyjiw auch bestimmte Ereignisse. Zunächst wurde der Journalist Heorhij Gongadse entführt und ermordet. Im November wurden die Aufnahmen von Melnitschenko veröffentlicht. Das Land wurde durch Massenunruhen erschüttert, die das Ende der Kutschma-Regierung faktisch vorbestimmt hatten. Die Stimme auf den Aufnahmen, die die Mitwirkung des Präsidenten am Mord an dem Journalisten bestätigte, hatte die Nationaldemokraten dazu bewegt, sich von ihm abzuwenden.
Diese Stimme, die angeblich den Verkauf von ukrainischen „Koltschugas“ (Funkmess-Überwachungssystemen) an Husseins Irak guthieß, hatte Kutschma zu jemandem gemacht, dem man im Westen keine Hand gibt. Man kann das alles eine Verschwörungstheorie nennen. Tatsächlich, Beweise gibt es dafür nicht. Aber die Frage: „Cui bono?“ stellt alles an seinen Platz. Wenn es diese Aufnahmen und einen auf sie abgestimmten Mord nicht gegeben hätte, hätte die Ukraine längst eine Fahrkarte für den NATO-Beitritt bekommen und wäre längst mit einem Bein in der EU gewesen.
Putin wiederum hatte damals den von ihm so begehrten Aufschub um 15 Jahre bekommen.
Den Schlussstrich für die proeuropäische Politik Kutschmas zog der von der Werchnowna Rada initiierte Rücktritt Juschtschenkos. Angeführt wurde dieser Prozess von Wiktor Medwedtschuk, Vizesprecher der Werchowna Rada und Freund Putins.
Der Vetter und die Verfassung
Wo und wann genau Medwedtschuk Putin kennenlernte, was genau zur Basis ihrer engen Freundschaft wurde – das ist eins der Geheimnisse heimischer Politik.
Bekannt ist nur, dass Putin Medwedtschuk auf der Beerdigung des Patriarchen Alexij II. als engen Freund bezeichnete und Putin 2004 Pate von Medwedtschuks Tochter wurde. Wer war damals Medwedtschuk und wer – Putin? Was hat diese Menschen eines unvergleichbaren politischen Gewichts vereint? Vielleicht liegt es daran, dass sie beide auf die eine oder andere Art mit dem KGB in Verbindung gebracht werden?
Noch ein Detail: Wiktor Wladimirowitsch Medwedtschuk kam, ungeachtet seiner Nähe zu Kutschma, praktisch nicht auf den Aufnahmen von Melnitschenko vor. Und der ehemalige Major selbst äußerte sich nur ungern zum Thema Medwedtschuk.
Ich denke, von Putins Seite war es, mit den Worten eines bekannten Filmhelden ausgedrückt, „Liebe auf Rechnung“. Sein Hauptopfer war schon immer die Ukraine, und Medwedtschuk war nur ein weiterer Zusatzschlüssel zu der fremden Schatzkammer.
Nach 2004 galt Medwedtschuk als „abgearbeitetes Material“. Über die Ängste vor seiner dämonenhaften Rolle im Schicksal der Ukraine lachte man. Und irgendwie wurde vergessen, dass das Land bis zu Janukowytschs Zeiten nach einer Verfassung lebte, an deren Ausarbeitung Medwedtschuk seine Hand angelegt hatte – und eigentlich leben wir auch jetzt noch nach dieser! „Medwedtschuk wird zu Recht als der Autor der Verfassungsreform bezeichnet,“- schreibt sein ehemaliger Gefährte von der SDPU (Sozialdemokratische Partei der Ukraine), Juri Sagorodniy, und fügt noch hinzu, dass Medwedtschuk bereits 2002 anfing, diese Idee voranzutreiben.
Wie kommt das Oberhaupt der Präsidentschaftsverwaltung unter einem gesunden und auf seine dritte Amtszeit vorbereitenden Präsidenten dazu, auf einer Einschränkung der Präsidentenbefugnisse zu bestehen? Das Puzzle setzt sich zusammen, wenn man davon ausgeht, dass Putin und Medwedtschuk ihre eigenen Vorstellungen von einem kraftvollen Ministerpräsidenten hatten.
Manche Einzelheiten des politischen Lebens jener Zeit weisen direkt darauf hin. Im Sommer 2004, als die Zeit gekommen war, einen Präsidentschaftskandidaten seitens der Regierung anstelle von Kutschma vorzuschlagen, wunderten sich alle über die seltsame Apathie in den Reihen der „Partei der Regionen“. Sie wollten mit Sicherheit keinen Janukowytsch. Und viele führten offene Verhandlungen mit der Partei „Unsere Ukraine“. Kutschma beeilte sich auch nicht: Offensichtlich kannte er den „beruflichen Werdegang“ des „Häftlings“ und wollte einen ganz anderen Nachfolger sehen – Tihipko, der seiner Familie nahestand.
Medwedtschuk hatte es eilig, die Brücken hinter sich zu verbrennen. Als Initiator der offiziellen Präsidentschaftskandidatur von Janukowytsch trat gar nicht die „Partei der Regionen“ auf, was man hätte erwarten können, sondern die SDPU (Sozialdemokratische Partei) in Person von Leonid Krawtschuk. Später rechtfertigte sich Leonid Makarowitsch, angeblich sei er „hinters Licht“ geführt worden.
Tihipko wurde als Konkurrent recht schnell beseitigt, indem ihm der Posten des Ministerpräsidenten unter Janukowytsch versprochen wurde. Wobei dieses Versprechen keinerlei Wert hatte, denn nach Informationen des Autors dieser Zeilen waren die Ämter in der zukünftigen Regierung zu dem Zeitpunkt schon verteilt: Janukowytsch – Präsident, Medwedtschuk – Ministerpräsident. Tihipko und sein Team wurden dagegen wie kleine Kinder vorgeführt.
Aber gehen wir nochmal zurück.
„Faschismus“. Eine Granate ohne Zünder
Im Dezember 2000, nach der Veröffentlichung von Melnitschenko-Aufnahmen startete die Aktion „Ukraine ohne Kutschma“, die seltsamerweise die Kommunisten von Simonenko, die Sozialisten von Moros und die UNA-UNSO (nationalistische Partei), die ihrerzeit von Dmitry Kortschinsky erschaffen worden war, vereinte. Wie man die Kommunisten kennt, die auch gar nicht verheimlichten, dass sie von Russland finanzielle Unterstützung beziehen (wenn nicht direkt von Putin, so doch von ihm über Sjuganow), kann man frei heraus behaupten, dass sie ein Teil der Verschwörung gegen den europäischen Vektor der Ukraine waren.
Im Februar 2001 unterschreibt Ministerpräsident Wiktor Juschtschenko den in der Präsidentenverwaltung angefertigten „Brief der Drei“, in dem die Teilnehmer des Protestes als „Faschisten“ bezeichnet werden. Ohne es selbst zu wissen besiegelte der unter Anspruchslosigkeit leidende Wiktor Juschtschenko mit seiner Unterschrift den Plan Putins zur Aufteilung der Ukraine auf „Faschisten“ im Westen und „Antifaschisten“ im Osten. In all den 10 Jahren der Unabhängigkeit wurde die Frage kein einziges Mal auf diese Art und Weise gestellt: Der politische Kampf lief bis dahin zwischen Linken und Liberalen ab.
Es war nicht viel Zeit vergangen, und schon wurde Juschtschenko selbst auf den Werbetafeln im Donbas in einer SS-Uniform dargestellt, und in der Kyjiwer U-Bahn tauchten (nicht ohne die Mitwirkung, wie man glaubt, der russischen Polittechnologen Pawlowski und Gelmann von der SDPU) anonyme Flugblätter mit einer Ukraine-Karte auf, die wie ein zu schlachtendes Schwein in drei Güteklassen aufgeteilt war.
Am 8. März 2001 gelangte die Protestaktion der UBK (Ukraine ohne Kutschma-Bewegung) an die Türen der Präsidentenverwaltung in der Bankow-Straße, und „unbekannte Personen“ begannen die Erstürmung des Gebäudes. In den ersten Reihen erblickte man die Nationalisten von der UNA-UNSO. Das TV-BIld erinnerte sehr stark an jenes, welches das russische Fernsehen 12 Jahre später, am 1.Dezember 2013, aus derselben Bankow-Straße senden wird.
Die „Berkut“ waren genauso vorzeitig in Bereitschaft gesetzt und schlugen den Widerstand recht schnell nieder, viele Menschen wurden verhaftet und bekamen langjährige Haftstrafen. „Das Toben des Faschismus und Nationalismus“ wurde durch zahlreiche Fackelmärsche der „erneuerten“ UNSO auf dem Chreschtschatyk (Hauptstraße im Zentrum Kyjiws) dokumentiert, die übrigens von den Behörden auch wohlgefällig genehmigt worden waren.
Die Granate, deren Zünder bereits 2002 gezogen wurde, ist jetzt im Krieg im Osten der Ukraine explodiert.
Das abgeschossene Flugzeug: Die Kremlhandschrift
Aber in den letzten Jahren der Regierungszeit von Kutschma fanden mindestens zwei weitere ernsthafte Krisen statt, die indirekt oder direkt mit Putin im Zusammenhang stehen. Beide bleiben bis heute in vielem ein Geheimnis.
Am 4. Oktober 2001 explodierte das Flugzeug TU-154 im Himmel über dem Schwarzen Meer, die Flugroute verlief von Tel-Aviv nach Nowosibirsk. Alle 66 Passagiere und 12 Besatzungsmitglieder starben. Nach dem Urteil der internationalen Luftfahrtkommission wurde das Flugzeug während der gemeinsamen Manöver mit der russischen Armee durch eine ukrainische Rakete von der Krim aus abgeschossen. Kaum jemand hatte damals der Information Beachtung geschenkt, dass parallel zum ukrainischen Militär auch Russen Raketen abgeschossen hatten, nur von einem anderen Truppenübungsplatz. Zu jenen Zeiten wollte das Land einen einzigen Schuldigen sehen, nämlich – Kutschma. Erst 2011 kamen Experten des Kyjiwer Instituts für Gerichtsgutachten zu folgendem Schluss gekommen: Die TU-154 konnte nicht durch eine ukrainische Rakete abgeschossen worden sein. Darum wurden auch alle Klagen der Fluggesellschaft „Sibirj“ von den Gerichten abgelehnt. Russland hatte keine Einwände: Die Sache war erledigt – an der Macht war der loyale Janukowytsch.
Im fernen 2001 mochte die Version, dass das russische Militär sein eigenes Flugzeug selbst abgeschossen habe, total grotesk erscheinen. Die Tragödie mit der malaysischen Boeing brachte uns alle dazu, die Ereignisse der Vergangenheit von einem neuen Standpunkt aus zu betrachten. Ziel der Provokation von 2001 konnte ganz einfach sein: Die Gefahr des Vorhandenseins von moderner Militärtechnik in Händen der „unterentwickelten“ Ukrainer aufzuzeigen und den Westen von der Zweckmäßigkeit der Abrüstung solch einer wenig steuerbaren Armee zu überzeugen…
Im September 2003 wurde die Landenge von Tusla berühmt. Plötzlich begann man von der Seite der russischen Siedlung Tamanj in Richtung der ukrainischen Insel einen Sanddamm aufzuschütten, um Tusla mit dem Territorium Russlands zu verbinden. Das war ein Erstes, der allererste putinsche Versuch eines Übergriffs auf ukrainisches Territorium. Viele Politologen rätselten damals über das Ziel dieser sinnlosen Provokation. Wiktor Neboschenko vermutete, dass Putin die Reaktion der Ukrainer beobachtete – ob viele von ihnen Russlands Aktionen unterstützten. Solche fanden sich jedoch in der Ukraine, selbst im Osten, faktisch überhaupt nicht.
Wieviel Geld musste denn der russische Diktator in den Informationskrieg gegen die Ukraine investieren, um am Ende die Einwohner der Krim und des Donbas zum Verrat zu verleiten!
Der Krieg in Georgien und die Unterstützung des neuen Feldzugs von Janukowytsch zur Macht, der Zerfall der ukrainischen Armee, die Erschießungen auf dem Maidan und die Rettung des Diktators – all das geschah vor unseren Augen und mit direkter Einwirkung von Putin. Geblendet vom Glauben an den Frieden mit Russland auf Jahrhunderte hinaus übersahen wir den zunehmenden Krieg gegen uns, und als wir seine Anzeichen gesehen haben, wollten wir uns das Erkannte nicht eingestehen.
Wofür wurde denn eigentlich Putin in den Kreml geholt? Wirklich nur um Krieg gegen die Ukraine zu führen?
Sieht aus, als ob das so wäre. Transnistrien, Südossetien, sogar die Krim – das sind alles Kleinigkeiten, die einem halbverfaulten Imperium nicht erlauben, an seine Wiedergeburt zu glauben. Wenn es aber das von der Fläche her zweitgrößte Land in Europa besiegt, wird diese Tatsache allen die Möglichkeiten des Kremls zeigen. Die Loslösung der baltischen Staaten, der Balkanländer, Ungarns und der Slowakei von der westlichen Welt, ganz zu schweigen von der blutlosen Annexion von Kasachstan und Belarus ist nur eine Frage der Zeit. Putin wird von der ganzen Welt verflucht werden? Ach, kommen Sie. Russland wird sich „reinigen“, indem es den Tyrannen tötet. Die „Eroberungen“ bleiben aber. Und zu ihrer Erweiterung wird man einen neuen heimtückischen Zwerg finden.
Wir müssen diese schwere Zeiten durchstehen. Wir dürfen keine Niederlage erleiden. Wenn wir standhalten, geht Putin die Luft aus, er wird nicht mehr gefürchtet und eines Tages wird er mit seinem Sonntagstee Gift trinken.
Leider wird Russland bleiben…
Autor: Eugen Jakunow; Quelle: InformNapalm; übersetzt von Irina Schlegel.
CC BY 4.0
4 Responses to “15 Jahre Geheimkrieg Putins gegen die Ukraine”
01/03/2015
Information-Frankenstein oder reale Folgen des Informationskrieges - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Er wird gegen die Ukraine schon mehrere Jahre geführt, womöglich all die Jahre der Unabhängigkeit, und hat in letzter Zeit einen besonderen Zynismus erreicht. […]
10/05/2015
Wladislaw Surkow. Die ukrainische Spur. - InformNapalm.org (Deutsch)[…] “15 Jahre Geheimkrieg Putins gegen die Ukraine”; […]
24/05/2017
Meinungsfreiheit vs. Informationskrieg: Zu ukrainischen Sanktionen gegen russische Internetdienste - InformNapalm.org (Deutsch)[…] – das war doch keine Folge von realen feindlichen Handlungen der Ukraine gegen sie, sondern die Folge der russischen Propaganda, die die Menschen aus dem Fernsehen und Internet […]
24/03/2018
Helden und solche, die wir dafür halten... - InformNapalm (Deutsch)[…] einem engen Freund von Putin (Näheres zu seiner Rolle in der modernen Geschichte der Ukraine hier: „15 Jahre Geheimkrieg Putins gegen die Ukraine“). Wiktor Medwedtschuk ist hier der Mittelsmann, über den der Gefangenenaustausch mit Russland […]