Der Informationskrieg Russlands gegen die zivilisierte Welt spielt sich auf allen Fronten ab: In der Ukraine, in Syrien, in den EU-Ländern. Es ist wichtig, die Methoden genau zu studieren, die im Informationsfeld angewendet werden, ein Gegengift dafür zu finden, ihr verbrecherisches Wesen zu erschließen. Ein Weg in diesem Informationskampf gegen die hybriden Angriffe des Kremls ist die detaillierte Auswertung dieses Vorgehens auf der öffentlichen Ebene, womit sich InformNapalm erfolgreich auch beschäftigt.
Im Bereich der Untersuchung von offenen Quellen ist es schwer, seine Vorrangigkeit zu beweisen – es passiert manchmal, dass ein OSINT-Aufklärer ein Material findet, nachdem er Hunderte von Accounts analysiert hat und andere sich dann der fertigen Angaben bedienen, ohne sich auf seine Arbeit zu berufen. Sollen sie es mit ihrem Gewissen ausmachen, in jedem Fall unterscheiden sich aber diese Untersuchungen durch die Qualität ihrer Analyse und Akzente bei der analytischen Herangehensweise. Des Öfteren beobachten wir, dass selbst sehr solide europäische Medien Angaben benutzen, die von Quellen aus dritter Hand kommen, welche InformNapalm die Information entnommen haben und diese für ihre eigene Analyse ausgeben.
Zum Beispiel, in einem Artikel vom 23. Januar 2016 veröffentlichte InformNapalm weitere Beweise für die Präsenz russischer Militärangehöriger im Vorort der syrischen Städte Slanfah und Salma („Russische Bodenoperation in Syrien: “Grüne Männchen” im Raum von Slanfah“). Am 27. Januar entdeckten die Aufklärer von InformNapalm die 34. Brigade der russischen Streitkräfte nahe Salma, und identifizierten anhand eines Stoppbildes den Kommandeur der 45. Speznas-Brigade, Oberst Pankow („Identifizierung russischer Bodentruppen in Salma, Syrien“). Es wurde eine Pause eingehalten und drei Wochen später veröffentlicht eine deutsche Ausgabe, bereits mit einem Hinweis auf die Moskauer Aufklärer, die nach der Publikation von InformNapalm dieselben Bilder desselben Videos analysierten, die „sensationelle Nachricht“ über die Aufdeckung von russischen Bodentruppen in Syrien, was für viele aufmerksame Leser gar keine hot news mehr ist (Link). Einige Stunden später wird diese „sensationelle Nachricht“ über die grosse Errungenschaft der deutschen Ausgabe auf der Webseite „Europäische Pravda“ (Link) und gleich darauf – auf der Webseite „Ukrainische Pravda“ veröffentlicht (Link).
Komisch, dass die geehrten europäischen und ukrainischen Informationsportale nicht sonderlich zimperlich damit sind, dem Leser veraltete Nachrichten anzubieten und sie dabei für hot news auszugeben. Es geht aber auch gar nicht darum, wem die Siegespalme gehört, sondern darum, wo der Akzent bei der Präsentation der OSINT-Information und Analyse zur syrischen und ukrainischen Frage liegt. Diese Information wird aus Moskau in abgeschwächter Form geliefert, wobei sie mit einer Menge an indirekten Angaben verdünnt wird, wodurch direkte Beweise nivelliert werden. Es ist wohl sehr viel „solider“, russische Sprache im Video auseinanderzunehmen als konkrete Namen und Abteilungen der russischen Streitkräfte zu benennen, die sich an diesen Verbrechen beteiligen. Was ist das: Sabotage von Informationsagenturen oder ihre Nachlässigkeit mit der Information, die ihnen Moskauer Experten zu verfüttern versuchen, die an einer Schwächung von direkten Fakten durch indirekte Indizien interessiert sind?
In diesem Material analysieren wir für unsere Leser extra das Video nochmal, das in der Publikation der Moskauer Agentur präsentiert wurde. Das Video wurde auf einer russischen Propagandaressource veröffentlicht, das ununterbrochen lügenhafte Materialien produziert und ein aktiver Teilnehmer des Informationskrieges auf der Seite der Russischen Föderation ist. Die Aufklärer von InformNapalm haben die Bilder dieses Videos analysiert und beschlossen, die Hauptakzente darin hervorzuheben.
Also, schauen wir uns mal die erste Reportage an, die mit dem typisch russischen Dialog beginnt. Vielleicht denken Sie, dass im Video eine militärische Luftoperation festgehalten wurde, die von Putin annonciert worden war? Nein, es ist eindeutig eine Bodenoperation.
Wir sehen ein Flugabwehrmaschinengewehr 6U6: Ein schweres 12,7 mm Maschinengewehr von Typ „Kord“ auf einem leichten MG-Dreibein. Im Donbass gibt es viele davon (das MG ist eine russische, die Lafette eine sowjetische Entwicklung aus dem Jahr 1973). Interessant ist hier wie neu die Waffe ist: Nach einer langen Verwendung würde es nämlich viele Kratzer von den Steinen aufweisen. Der Instrukteur zeigt im Video, wie man das Geschütz richtig aufstellt und führt Kalibrierung des Visiers durch, nach Anweisungen des russischen Richtschützen, der im Visier beobachtet, wohin die Kugel fliegt.
Der Kameramann kommentiert dabei, dass es die andere Seite ist, die gerade Feuer führt, aber auf dem Bildschirm sehen wir, dass das MG dorthin gerichtet ist, wo es Explosionen gab. Höchstwahrscheinlich haben sie selber dorthin Granaten geworfen und dann das Ganze so gedreht als ob es der Gegner war. Als Bestätigung dafür, dass es keinen Gegner in der Nähe gibt, dient hier die Tatsache, dass die Assad-Soldaten allesamt ohne persönliche Waffen sind und aufrecht herumspazieren, was absolut unmöglich unter Frontbedingungen ist.
Also sehen wir im Video einen gestellten Mörser-Beschuss und das Anschießen des MGs durch die russischen Instrukteure.
Auf der Basis der Analyse einer ganzen Reihe solcher propagandistischen Materialien schlussfolgern wir, dass es diese „Berater“ dort überall gibt, bei jeder Kanone, im Grunde sehen wir wie die Russen sich darum bemühen, den Syrern beizubringen wie man effektiver andere Syrer tötet… Wie in der Ukraine eben.
Zweites Video, das unter dem Titel „Gemächliche Arbeit syrischer Artillerie in Latakia, die die IS-Horden zurückhält, die zur Basis in Latakia durchbrechen wollen“ erschienen ist:
Werten wir das mal detailliert aus.
Auf dem Bild sehen wir wie drei Geschütze vom Typ „Msta-B“, die nicht im Dienst syrischer Armee stehen, aus überhöhter Position Granaten abfeuern, um Ziele im tiefliegendem Gelände zu treffen, hinter dem Berg. Die Kommandos werden in vollkommen „lokalem Dialekt“ abgegeben: „Ogonj!“ (russ. „Feuer!“).
Lasst uns doch mal schauen, was das denn für „Horden an IS-Kämpfern“ sind und wo sie sich denn genau verstecken – in den Bergen von Latakia oder doch nur im entzündeten Gehirn der gastierenden russischen Propagandisten. Dafür haben wir uns an die Syrer mit der Bitte gewandt, den Ort zu bestimmen, an dem dieses Schießen stattfindet.
Und das ist, was sie uns zugeschickt haben:
Auf der Karte ist es hier:
Des Weiteren haben die Syrer unsere Aufmerksamkeit auf ein anderes Video aus derselben Serie gelenkt, in dem ein Checkpoint gezeigt wird, an dem drei entspannte junge Männer sitzen, die salopp mit den Waffen umgehen, unbesorgt aufrecht herumspazieren und in die Kamera lächeln. Bereiten sich wahrscheinlich darauf vor, Horden von IS-Kämpfern abzuwehren. Wenn man sich den Checkpoint genauer anschaut, so sieht man oben im linken Bereich des Bildes, in den Bergen, genau jene Kanonen. Und umgekehrt, im Video mit den Kanonen, bei 1:45 sieht man zwischen dem 2. und 3. Geschütz sehr deutlich genau diesen Checkpoint. Nun kann man sich tatsächlich in dieser Örtlichkeit zurechtfinden und den genauen Standort des Checkpoints lokalisieren.
Im Video mit dem Checkpoint sieht man bei 0:19 deutlich diesen Bau:
Der Checkpoint selbst befindet sich hier: Link
Im Video sieht man weisse Zelte mit dem Emblem UNHCR (Organisation der Vereinten Nationen in Fragen der Flüchtlinge):
Im zweiten Teil des Videos werden uns 2 neue Flugabwehrmaschinengewehre 6U6 in Karossen der GAZ-LKWs gezeigt:
Also nivelliert das Bild eines unbefestigten Checkpoints mit entspannten Wachleuten den Bericht aus dem anderen Video, das in der Nähe gedreht wurde und uns einen Angriff von Horden der IS-Kämpfer verkaufen sollte. Russische Propagandisten haben sich wie immer selbst entlarvt.
Versuchen wir doch auch mal den Ort zu ermitteln, wohin diese Batterie schiesst. Nach der Stellung der Batterie und einigen Ortsanbindungen, wie auch der Richtung der Geschütztürme haben wir den Visierpunkt ausgerechnet. Dieser befindet sich im Rücken der Assad-Soldaten, zwischen zwei Städten.
Halten wir eine weitere Lüge der russischen Propagandisten fest und notieren, dass dies ein Ort ist, der sich im Rücken der Assad-Truppen befindet und an dem die Soldaten Russlands und Assads Feuer führen. Vermerken wir auch, dass wenn der Kameramann die Umgebung zeigt, auch andere vorbereitete Flankierungsanlagen und Feuerstellungen zu sehen sind.
Die Gesamtheit aller Faktoren, die von uns aufgedeckt worden sind – russische Militärangehörige, „Msta-B“-Batterie, Position – führen uns zu einer anderen Untersuchung von InformNapalm: „29 Soldaten der 291. Artilleriebrigade der Streitkräfte Russlands in Syrien“. Diese Sonntagsartilleristen, die sich so genussvoll vor dem Hintergrund syrischer Landschaft fotografieren lassen, hatten im Netz Informationen zu ihrem genauen Standort veröffentlicht, und die „Msta-B“ ist die Standardwaffe der 291. Artilleriebrigade. Somit ist uns bekannt geworden, wer genau diese Akteure der russischen Propagandareportagen sind.
Das vierte Video zeigt Übungen der Scharfschützen. In der 2. Minute hält es ein weiterer „Iwan“ nicht mehr aus und fängt an, ohne den Übersetzer zu „unterrichten“.
Wieder sehen wir ein weißes Zelt mit dem UNHCR-Emblem. Das Ausnutzen der humanitären UN-Hilfe für militärische Zwecke durch die Assad-Truppen kann von Mängeln in ihrer Verteilung sprechen und das Zelt dient wohl dazu, das Trainingslager unbeholfen für ein Flüchtlingslager auszugeben, was von Assaditen im Falle eines Angriffs auf das Trainingslager für propagandistische Zwecke ausgenutzt werden kann.
Also zeigt die Analyse dieser Videos Folgendes:
1. All das sind propagandistische Aufnahmen, also ein typischer Versuch der russischen Aggressoren, auf die Leinwand der Informationsfront eine von ihnen ausgedachte Realität hinzumalen, über den IS und andere Horror-Märchen.
2. Die Propaganda-Journalisten gaukeln hölzern vor, unter Bedingungen der Kampfhandlungen zu arbeiten. Die Freiwilligen von InformNapalm interessieren sich doch sehr dafür, ob ihnen der Lohn auch nach einem „Kriegstarif“ ausgezahlt wird?
3. Die OSINT-Aufklärer von InformNapalm haben ein Trainingslager ausgemacht, in dem russische Instrukteure die Assad-Soldaten ausbilden, darunter auch bezüglich der Nutzung von Bewaffnung, die nicht im Dienst der Assad-Armee steht.
4. Wir haben den Fakt einer unlauteren und illegalen Ausnutzung der UN-Hilfe aufgedeckt, was eine ganze Menge an Fragen an diese Organisation aufkommen lässt.
5. Wir haben festgestellt, dass das Schauschießen mit den drei „Msta-B“ Geschützen die Artilleristen der 291. Brigade der Streitkräfte Russlands durchführten.
Also haben die Aufklärer von InformNapalm eine penible Analyse der Videos durchgeführt, den genauen Aufnahmeort, ihre Teilnehmer und das Ziel ermittelt, das von der Artillerie beschossen wurde und dabei festgestellt, dass dieser Ort sich ausserhalb der Zone der Kampfhandlungen befindet, permanent zum Trainieren von Assad-Soldaten durch die russischen Instrukteure benutzt wird wie auch zum Dreh von gestellten Propagandavideos. Und das ist eben der Unterschied zu unseren Moskauer „Kollegen“, die anhand dieser Videos nur die offensichtliche Präsenz der russischen Soldaten und Bewaffnung bestimmen konnten.
Dieses Material wurde von Kateryna Jaresko, Anton Pawluschko, Michail Kusnezow, Dmitry K. exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
One Response to “InformNapalm entlarvt Bastelarbeit der russischen Propagandisten in Syrien”
11/03/2016
Ein Soldat der 200. Artilleriebrigade Russlands verriet den genauen Standort seiner Abteilung in Syrien - InformNapalm.org (Deutsch)[…] sind und bis zum Hafen von Tartus – 83 Kilometer. Und wir haben doch unsere Untersuchung “InformNapalm entlarvt Bastelarbeit der russischen Propagandisten in Syrien”, in der wir eine detaillierte Analyse von einem russischen Propagandavideo durchgeführt haben, in […]