Auf dem Titelbild: OSZE-Turm.
Vorwort: „Das ist keine Erniedrigung mehr, das ist eine reale Bedrohung für unsere Sicherheit. Der weiße OSZE-Turm, der in Schyrokyne zur Aufzeichnung von Verstößen gegen das Minsker Abkommen aufgestellt wurde, befindet sich im Rücken der Marineinfanterie. Die Möglichkeiten der Kameras erlauben Tag und Nacht alle Bewegungen der ukrainischen Soldaten zu beobachten. Man kann sogar ihre Gesichter sehen. Die Panzer und Mörser der Separatisten kann das elektronische Auge aber nicht sehen. 3.500 Meter ist es bis zu ihnen. Also bleibt hier für die „Separatisten“ nichts geheim, denn das Videosignal geht nach Kyjiw, Mariupol und … Donezk. Genau dort sitzt der unmittelbare „Supervisor“ dieser Reality Show. Als der stellvertretende Leiter der Mission, Alexander Hug, am Tag der feierlichen Errichtung dieses Turms gefragt wurde, ob er denn garantieren kann, dass die Videos nicht in die Hände der Söldner geraten, verneinte er. Und gleich beim ersten Beschuss unserer Stellungen seitens der Putinisten, der zwei Stunden andauerte – na, da war die Kamera auf wundersame Weise ausgeschaltet. (Danach gab es zwar Erklärungen, dass es dieses Video doch gibt, und „wir zeigen es euch bald“. Wir warten aber immer noch darauf). „Und warum gibt es keine Kamera auf der anderen Seite?“- fragen unsere Militärs die OSZE. Die Antwort ist wie folgt: „Die DVR erlaubt uns keine aufzustellen“… Die Beobachtungsmission geht weiter.“ (Text übernommen von Andriy Tsaplienko, einem TCH-Journalisten).
Nachfolgend ein Artikel von Viktor Tregubov, mit freundlicher Genehmigung für InformNapalm zur Verfügung gestellt.
Der ukrainische ATO-Stab beschuldigte heute die OSZE-Vertreter offen der Untätigkeit und fehlender adäquater Reaktion auf Beschüsse im frontnahen Dorf Sajzewo. Nach Aussagen der Stabsvertreter sind die Terroristen mittlerweile dermaßen von ihrer Straflosigkeit überzeugt, dass sie offen die durch das Minsker Abkommen verbotenen 122-mm-Mörser einsetzen. Der Kontrollpunkt „Sajzewo“ muss aus diesem Grund geschlossen werden, ebenso wie die Möglichkeit in Betracht gezogen werden muss, auch andere Kontrollpunkten zu schließen. „Durch ihre Untätigkeit sind die Vertreter der OSZE-Beobachtungsmission zu einem gewissen Grad mitverantwortlich für die Beschüsse von Sajzewo durch die Söldner, die Schließung des Kontrollpunktes „Sajzewo“ und die Konflikteskalation im Donbass,“ erklärte man im ATO-Stab.
Eine schwerwiegende Erklärung. Und es ist klar, was dieser vorangegangen war. In Wirklichkeit haben sich bei den ukrainischen Militärs offene Fragen an die Kollegen von der OSZE nicht an einem und auch nicht in zwei Tagen gehäuft. Nur hat die letzte Situationsverschärfung die Sache auf die Spitze getrieben.
Ich versuche mal hier die Vorwürfe anzuführen, die die ukrainische (und so seltsam es auch ist, ab und zu mal sogar die separatistische) Seite erhebt. Es ist klar, dass dieses Material etwas einseitig sein wird, es wird aber zumindest deutlich machen, warum sich der ATO-Stab nun einer viel schärferen Rhetorik bedient.
Woraus besteht die Mission…
Die OSZE-Beobachtungsmission ist sehr gut ausgerüstet und ausgebildet. Entsprechend dem letzten Bericht der Organisation, arbeiten dort 1057 Menschen aus über 40 Ländern. Im letzten Jahr betrug das Budget der Mission, das von der EU zur Verfügung gestellt wird, 25.000.000 Euro, davon sind 6 Millionen unmittelbar zur Sicherstellung der Arbeit von Beobachtern ausgegeben worden. Die Beobachter haben gute Wohnbedingungen. Als Beispiel kann man das Gebäude des Juwelierhauses SAGA anführen, in dem die Mission in Kramatorsk residiert.
Sie sind auch mit guten Autos versorgt. Ihre Haupttransportmittel sind gepanzerte weiße Toyotas, die sowohl auf Kosten der EU als auch auf Kosten von Kyjiw eingekauft worden sind.
Es wurde auch berichtet, dass Russland 24 gepanzerte „Tigr“-Geländewagen an die OSZE-Mission im Donbass übergeben hat.
Also ist die OSZE-Beobachtungsmission faktisch eine große Gruppe gut ausgerüsteter Spezialisten, die keinerlei finanzielle Schwierigkeiten haben.
… Wo ist denn das Problem.
Nach Aussagen der ukrainischen Militärangehörigen ist das Problem, dass all das nicht wirklich zu funktionieren scheint.
Eine der Hauptaufgaben der Mission ist die Zurückverfolgung von Verstößen gegen die Waffenruhe, die durch das Minsker Abkommen festgelegt wurde. Dafür müssen ihre Vertreter im Konfliktterritorium herumfahren, sich zu den Beschussstellen begeben und festhalten, wo, wer, wann, wieviele Verwundete …
In der Praxis sollte dies (zumindest auf dem Territorium, das von den ukrainischen Streitkräften kontrolliert wird) auf folgende Weise aussehen: Nach dem Beschuss der einen oder anderen Ortschaft fährt die Delegation des gemeinsamen Koordinationszentrums (in Fragen der Feuereinstellung und Stabilisierung der Demarkationslinie), die aus ukrainischen und russischen Spezialisten besteht, dorthin. Weiter halten die Ukrainer und Russen die Folgen der Beschüsse fest, und die hinzugekommene OSZE-Delegation hält es nochmal zusätzlich fest, als unabhängiger Beobachter.
Also bestehen die Vorwürfe der ukrainischen Militärangehörigen gegen die OSZE in erster Linie darin, dass ihre Vertreter bei weitem nicht immer an die Beschussstellen kommen. Und wenn sie dahin kommen, sind sie bei weitem nicht immer bereit, das Faktum des Beschusses festzuhalten. Im ATO-Stab erklärte man dem Autor dieser Zeilen, dass „die OSZE circa 30-40% der Beschüsse festhält“. Das ist natürlich besser, als bei der russischen Seite im gemeinsamen Koordinationszentrum – sie „sieht“ die Bodentrichter ohnehin nur in Ausnahmefällen. Das alles ist bei weitem nicht die Arbeit, die benötigt wird, um die Waffenruhe effektiv umzusetzen, oder wenigstens um die Tatsache festzuhalten, dass diese Waffenruhe nicht so ganz zustande kommt.
Des Öfteren kann die Unmöglichkeit für die OSZE-Vertreter an die eine oder andere Stelle zu kommen mit objektiven Umständen erklärt werden. Zum Beispiel, mit Versuchen der Separatisten, ihre Autos unter Beschuss zu nehmen. Letztere stehen eher darauf, OSZE-Mitarbeiter ein wenig zu verschrecken, besonders am Vorabend neuer Provokationen. Der Grund dafür ist einfach: Sie wissen, dass sich die Vertreter der Mission nach so einer Abschreckungsmaßnahme um ihre eigene Sicherheit zu sorgen beginnen und sich das Spektrum ihrer Tätigkeit bedeutend verkleinert. „Die OSZE fährt nicht dorthin, wo es gefährlich ist,“ erklärte seinerzeit die bekannte Freiwillige und Vertreterin der Organisation „Freiwiiligenlandung“ Tatjana Rytschkowa dem Verteidigungsministerium der Ukraine. Leider entspricht es der Wahrheit. Etwas früher berichtete auch die Quelle „Informationswiderstand“ von Beschwerden der Einwohner von Sewerodonezk darüber, dass die Missionsvertreter in ihrer Stadt nie weiter als bis zu Restaurants kommen. Andererseits könnte das auch eine Ausnahme sein.
Der erste stellvertretende Leiter der Mission, Alexander Hug, zum Beispiel gibt zu, dass die Organisation in ihren Bewegungen sehr eingeschränkt ist. Er legt die Verantwortung dafür aber auf beide kämpfende Seiten.
Auch wird die Mission beschuldigt, dass sie häufig allzu nichtssagende Formulierungen benutzt. Zum Beispiel, indem sie nur die Tatsache des Beschusses selbst festhält, seine Verantwortlichen aber nicht erwähnt, inklusive völlig offensichtlicher Fälle.
Und schließlich tauchen im Bestand der OSZE-Mission immer mal wieder offensichtlich engagierte Figuren auf. So wurde der von der Organisation delegierte Holländer Kai Vittrup zu einem häufigen Gast der LifeNews-Nachrichten und Nachrichten anderer Propagandasender, der behauptete, dass die Ukraine in Luhansk ausschließlich zivile Objekte unter Beschuss nehme.
Um der Gerechtigkeit willen sollte man anmerken, dass sogar die Separatisten ähnliche Vorwürfe gegen die OSZE erhoben. Angeblich fahren sie häufig zu spät zu Beschussstellen, nehmen sich zu wenig Zeit, um den Einschussort genau zu untersuchen und halten nicht immer die Fakten fest. Warum auch nicht: Man kann durchaus annehmen, dass die Unschlüssigkeit, die ihnen auf dem durch die Ukraine kontrollierten Territorium eigen ist, ihnen auch in dem durch die Terroristen okkupierten Gebiet eigen ist.
Die Ukraine ist an einem vollständigen und genauen Festhalten des Geschehens im Donbas maximal interessiert, auf beiden Seiten der Demarkationslinie. Das ist unser Argument bei den Minsker Verhandlungen, das ist unser Weg, die Wahrheit unter Umgehung der gewaltigen Propagandamaschine Russlands an die Weltgemeinschaft zu bringen. Leider funktioniert es bei weitem nicht immer, unter anderem auch, weil die OSZE-Mitarbeiter ihre Aufgabe nicht bewältigen.
Dabei sind die ukrainischen Militärs weit vom Gedanken entfernt, dass all das böswillig geschieht, und setzen sich nicht zum Ziel, ihre ausländischen Partner anzuschwärzen. Es liegt hier eher die Kombination aus der legendären internationalen Bürokratie und dem menschlichen Faktor vor. Es ist verständlich, dass jeder Mensch und jeder Beobachter in erster Linie um seinen eigenen Komfort und Sicherheit besorgt ist. Darum verringert jeder Beschuss eines OSZE-Autos, zu welchen die Terroristen in letzter Zeit neigen, die Motivation der Mission-Vertreter.
Das kompromittiert aber die Idee der Mission an sich. Es kommt darauf hinaus, dass, wenn die Terroristen ihren Scharfschützen befehlen, ein paar Mal in Richtung der weißen Jeeps zu schießen, sie die Stärke ihrer Angriffe ruhig forcieren und die verbotenen 120-mm-Geschütze an die Frontlinie bringen können, ohne Rücksicht auf die Anschuldigung nehmen zu müssen, gegen das Minsker Abkommen verstoßen zu haben. Was faktisch in der zweiten Januarhälfte 2016 auch geschah, und weiterhin geschieht. Dadurch verpufft die Wirkung der Mittel, welche die EU der Mission zur Verfügung stellt, und die Aufgabe, mit welcher die Weltgemeinschaft die OSZE-Mission beauftragt hat, kann nicht erfüllt werden. Man kann eine Kluft nicht in mehreren Sprüngen überspringen. Einen aktiven militärischen Konflikt kann man nicht schwerpunktmäßig und episodisch festhalten. Entweder du hältst es fest – und dann stützen sich internationale Strukturen und später auch die Gerichte auf deine Angaben, oder du hältst es nicht fest, und dann ist es unwichtig, ob es aus objektiven oder subjektiven Gründen passiert.
Die OSZE-Mission hat keine Versorgungsmängel. Woran es ihnen mangelt, ist der Wille. Es bleibt zu hoffen, dass sie diesen in der Folgezeit finden können. Gerade gewinnen die Beschüsse wieder an Fahrt. Und für die Regulierung des Konflikts ist es unbedingt notwendig, dass die internationalen Beobachter das tun, wozu sie hierhin delegiert worden sind, und das angstlos und sorgfältig.
Autor: Viktor Tregubow; übersetzt von Irina Schlegel.
* 2017 von Klaus H. Walter editiert.
One Response to “Die Rolle der OSZE bei der Vereitelung der Umsetzung des Minsker Abkommens”
27/11/2017
Ein OSZE-Vertreter scheint in bester Beziehung zu "LVR-Terroristen" zu stehen (Video) - InformNapalm (Deutsch)[…] 2016 ist es um die OSZE ruhiger geworden: Die Formulierungen in ihren Berichten wurden präziser und konkreter sowie wesentlich objektiver. Es hiess nicht mehr „es gab so und so viel Beschüsse“ ohne genaue Erwähnung, wer denn genau geschossen hat, sondern aussagekräftigere Informationen über die Situation in der ATO-Zone mit genauen Beschreibungen. Gute Analyse zu dieser allmählichen Entwicklung gab es Februar 2016 vom ukrainischen Journalisten Viktor Tregubow, siehe „Die Rolle der OSZE in Vereitelung der Ausführung des Minsker Abkommens“. […]