Dank der Cyberallianz FalconsFlame, Trinity und Ruh8 haben wir Zugang zu Materialien der russischen Propagandisten erhalten. Die Freiwilligen von InformNapalm haben eine Erstanalyse der erhaltenen Angaben aus mehreren E-Mail-Accounts der russischen Journalisten durchgeführt und somit erfahren, wie die gestellten Reportagen im russischen TV produziert werden.
Der Korrespondent des russischen „Ersten TV-Kanals“ Sergei Senin führte 2014-2015 aktive Propaganda aus Donbass. Über sein E-mail-Account lief die Synchronisierung von Reportagen für die Nachrichten. Zwei Jahre nach dem Auftauchen des berüchtigten Fakes mit dem „gekreuzigten Jungen“ ist es interessant zu erfahren, wie die russische Propagandamaschine damals arbeitete. Viele Off-Kommentare werden dem Leser zynisch vorkommen. Es ist wohl so, dass nur Menschen, die Übel bewusst stiften, das dermaßen professionell tun können.
Fangen wir damit an, dass russische Journalisten die Söldner aus Kaukasus bewusst aus ihren Reportagen entfernten: In der Nacht auf den 19. Juli 2014 schickt Senin eine weitere Synchronisierung der Reportage mit seinen Kommentaren an den Regisseur des „Ersten TV-Kanals“ Goroda@dip.1tv.ru.
„Das Video mit der Audiosynchronisierung und den Live-Aufnahmen von der Volkswehr-Kamera wird geschnitten in einer getrennten Datei zugeschickt, unter dem Namen „Flüchtlinge 2, Zusammenschnitt“. Beim Schnitt versucht mal solche Momente zu vermeiden, dass die Ossetinen im Bild auftauchen – sie sind zwar nicht dagegen, aber ich weiß, dass wir nicht dafür sind))) Auf jeden Fall hat der erste Korrespondent einen Teil des Textes im Off vorgelesen, falls ihr euch entscheidet, diesen Teil zu behalten“.
Ein Teil dieser Synchronisierung erschien tatsächlich in den Morgennachrichten. Die Ossetinen aus der „einheimischen Donbass-Volkswehr“ sind im „Ersten TV-Kanal“ an dem Tag nicht gezeigt worden:
Am 29. Juli 2014 drehte Senin eine Reportage über die Beschüsse der Stadt und hat sie pathetisch mit einem Durchgang durch ein leeres Kinderheim beendet: „Stand Up-Durchgang durchs Kinderheim (der erste ist ehrlicher und emotionaler, aber der zweite ist vollständiger. Ich würde den ersten nehmen. Wann wirst du noch einen weinenden Korrespondenten sehen). Zeigt mehr Grossaufnahmen der Kinder, Babysitterinnen, wie die Kinder schlabbern… Weiß nicht, was noch. Ich glaub‘, das war’s».
Genauso war es: Ein weinender Korrespondent und viele Grossaufnahmen der Kinder und ihrer Tagesmütter (die ganze Reportage kann man hier ansehen, ab der 3. Minute). Und die Kinder schlabberten….
Übrigens sollte man erwähnen, dass die russischen Journalisten den Wert der Aussagen der DVR-Vertreter ausgezeichnet verstehen: „Er spricht über die Arbeit des OSZE, über die Gefangenen, über die Waffenruhe. Am Anfang macht er eine idiotische Aussage über den Alkoholkonsum in den Reihen der ukrainischen Soldaten“.
Und hier ein interessanter Moment: Am 2. Oktober schickt Senin ein Video vom Beschuss im Zentrum von Donezk an E-Mail-Account seiner Frau. Der Korrespondent prahlt mit einer gelungenen Reportage: Wann könne man denn sonst einen Beschuss live sehen!
Am 3. Oktober wird die Reportage im „Ersten TV-Kanal“ gekürzt ausgestrahlt:
In der Endversion der Reportage wurde der Ton etwas gesäubert. Im Original (0:12-0:16) ist der Ton seltsam und erinnert an die Arbeit eines Mörsers irgendwo in der Nähe – in der ausgestrahlten offiziellen Reportage ist der Sound wesentlich sauberer (01:09-01:16).
Das Gespräch mit einer misstrauischen Donezk-Einwohnerin wurde ebenfalls herausgeschnitten.
Einwohnerin: – Was ist das für ein Beschuss? Mörser, ja?
Senin: – Mörser, 120 mm, keine 150. Ist aber trotzdem was… Verstehen Sie, die Geschichte ist ja so: sie haben faktisch den Moment abgewartet, dass die Feuerwehr kommt, die Menschen aus ihren Häusern wieder herauskommen und dann nochmal zugeschlagen. So, nicht?
Einwohnerin: – Sind es Diversanten, oder wie? Womit sind sie denn unterwegs? Mit einem Minibus?
Senin: – Weiss keiner…
Irgendwie geriet Senin in diesem Keller an äusserst misstrauische Einwohner und man beschloss wohl, sie nicht zu zeigen. Was der komische Sound im Original gewesen ist, ob eine Mörsergranate oder ein Schuss in der Nähe, bleibt unklar.
An der Stelle sollten wir uns an den „herumgeisternden Mörser“ erinnern, den die Propagandisten als eine Erklärung für ihre Informationspatzer benutzten. Dieser Mörser begann gerade im Oktober 2014 die Zivilisten in Donezk zu terrorisieren. Im Netz werden Sie zwar kein einziges Foto der mythischen Gruppe ukrainischer Diversanten finden, der das damals zu Last gelegt wurde, dafür aber einige Fotos (Artikel, Archiv) vom 1. Oktober 2014, auf denen russische Söldner einen Mörser in die Karosse eines Müllabfuhrwagens installieren. Einer von diesen Söldnern ist kein Unbekannter – er ist ein Einwohner der russischen Stadt Salechard (Jamalo-Nenezki Bezirk), heisst German Klimow und sein Profil finden Sie in der Terroristenbasis von „Myrotworez“.
Es kommt darauf hinaus, dass am 1. Oktober 2014 der für die „DVR“ kämpfende Russe Klimow dabei half, einen Mörser auf einen Müllabfuhrwagen zu installieren, und bereits am nächsten Tag der russische „Erste TV-Kanal“ eine Reportage über eine herumgeisternde ukrainische Diversantengruppe drehte, die die Stadt unter Beschuss nimmt. Dabei war die Journalisten-Gruppe direkt vor Ort des Geschehens, in den besten Traditionen von LifeNews. Der Müllwagen-Mörser kann ein wenig den komischen Sound im Original erklären.
Übrigens begab sich Senin nach der Ukraine auf den Weg nach Damaskus – der gewiefte Propagandist hat sich auch dort nützlich gemacht. In Syrien ist es einfacher zu drehen, denn nach den ganzen Kriegsjahren sind im Land wenige Städte unversehrt geblieben, und die Al-Quaida nimmt die Städte unter Beschuss wesentlich häufiger, als die vom „Ersten TV-Kanal“ hochgepriesene „Kiewer Junta“. In Syrien hat man auch keine Probleme mit unerwünschtem Sound.
So wird es in seiner E-mail beschrieben: „Video-Zusammenschnitt: Flüchtlinge (Kinder, Gesichter, Armut), Armee (Panzer, Schießerei, Explosionen), Presse (die Gruppe läuft unter Feuer hin und her), Geisterstadt (Häuserskeletten, Strassenschilder, eine Puppe als Symbol des Krieges, dunkle Katakomben der Terroristen), abendlicher Brand im Stadtzentrum (Feuerwehr, Notdienst), über ihre Sirenen gehen wir zur Demo über (Menschenmenge, Putin, Assad, russische Flaggen, Explosionen bei der Botschaft, Menschen rennen)“.
Des Öfteren wird die Reportage durch ein klingendes Geräusch gestört: „Dieses Geräusch sind die Durchläufe der Idioten in Schutzwesten mit der Aufschrift „Press“. Man hört, dass geschossen wird. Falls Ihr es nicht hört, dann ist es auf der zweiten Audiospur… Dasselbe Geräusch, ganz kurz, und dann ein Panzerschuss: Bähm!“
Die Methoden sind die gleichen: Sound saftiger, mehr Trash, mehr Dramatik. „Putin, führ‘ die Truppen ein!“. Das passende Bild dazu wird Euch vom „Ersten TV-Kanal“ bereitgestellt.
Siehe zum Thema:
- „Russlands Propagandisten Teil 1: Sergei Senin“
- „Gekaperte Accounts der russischen Propagandisten Teil 2: MH17“
- „Gekaperte Accounts der russischen Propagandisten Teil 3: Beschuss von Nikischino“
Die Angaben wurden von den Hackern der ukrainischen Cyberallianz exklusiv an InformNapalm zwecks Analyse und weiteren Veröffentlichung übergeben. Die Redaktion von InformNapalm trägt keine Verantwortung für die Erstquelle und die Herkunft der Angaben.
Dieses Material wurde auf der Basis der Angaben von Falcons Flame, Trinity und Ruh8 exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
No Responses to “Gekaperte Accounts der russischen Propagandisten: Wie die Reportagen für den russischen „Ersten TV-Kanal“ entstehen”