Das Lefortowo-Gericht in Moskau hat die Haftanordnung gegen den ukrainischen Regisseur Oleh Senzow bis zum 11. Januar 2015 verlängert. Oleh Senzow war am 10. Mai 2014 in Simferopol (Krim) von FSB-Mitarbeitern entführt worden. Am selben Tag wurde er gefoltert, später wurde er ins „Lefortowo“-Untersuchungshaft in Moskau gebracht. Ihm wird zur Last gelegt, auf der Krim eine terroristische Gruppe organisiert zu haben. Senzow beteuert seine Unschuld. Hier seine gestrige Rede vor Gericht.
OLEH SENZOW: „Ich weiß nicht, ob die Staatsduma ein Gesetz verabschiedet hat, das Lachen im Zirkus verbietet. Sie kann es tun. Aber ich kann nicht verstehen, warum Sie alle das, was hier passiert, ernst nehmen. Das ist ein Spektakel. Ich werde nicht zum wiederholten Male meine Unschuld beteuern, nicht sagen, dass das alles falsifiziert und politisch begründet ist, dass man mir gegenüber bestimmte Einwirkungsmaßnahmen angewendet hat. Darüber habe ich schon gesprochen, es gibt nichts zu wiederholen.
Das Ermittlungsverfahren läuft gut, es gibt schon 18 Aktenordner, die Ermittler arbeiten brav, bin sehr froh für sie. Aus den neuesten Erkenntnissen, die da durchschlüpfen: ich wollte eine Rakete mit radioaktivem Inhalt auf den Staatsrat der Krim werfen. Ich warte ungeduldig auf die Entdeckung dieser Rakete, Fotos von mir mit ihr im Hintergrund und meine Fingerabdrücke auf ihrer Oberfläche. Ich meine, damit alles auch schön aussieht.
Die Ermittler, die Gesetzesdiener, beschäftigen sich mit so einem Hirngespinst, können aber vier Monate lang die Polizisten nicht finden, die ich angezeigt habe, weil sie mich gefoltert, gedemütigt und geschlagen hatten. Die hier anwesenden Ermittler kennen sie alle vom Gesicht her, aber es ist unmöglich, sie zu finden, denn das wäre wie sich selbst zu fangen- das gibt es nicht. Mit dem gleichen Erfolg kann man ins Klo schauen und fragen: „Wer hat Senzow gefoltert?“- darauf wird es keine Antwort geben. Darum braucht man gar keine Zeit darauf zu verschwenden, wie man auch die Zeit nicht darauf verschwenden muss, Fragen zu beantworten, was Pskower Fallschirmspringer in der Nähe von Donezk gemacht haben und wofür sie dort gestorben sind. Die Pskower Fallschirmspringer, die Ihr Land in aller Heimlichkeit nun beerdigt.
Ich weiß nicht, was Sie, die Staatsbeamten, über dieses System denken, das auf so einer totalen Lüge aufgebaut ist, ob Sie denken, dass es ewig hält. Sogar Ihre Vorgesetzten, die noch immer an Deck des untergehenden Schiffes herumlaufen und so tun, als ob alles in Ordnung wäre, verstehen nicht, dass es langsam aber sicher absackt. Darum kann ich Russland nur wünschen, aus dieser Finsternis schnellstmöglich herauszukommen und endlich frei zu werden. Und alle, deren Gewissen unrein ist, können ja anfangen zu lernen, wie man das Wort „Lustration“ richtig schreibt. Ich bin fertig.“
Quelle: grani. ru; übersetzt von Irina Schlegel
5 Responses to “Rede Oleh Senzows im Gerichtssaal am 29.09.2014”
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