In den letzten Jahren ist das Thema der russischen Militäraggression gegen Georgien im August 2008 angesichts der Ereignisse in der Ukraine und Syrien in den Hintergrund getreten. Auf den ersten Blick wurde der Konflikt eingefroren, dennoch wird die schleichende Okkupation Russlands gegen Georgien fortgesetzt. Während die russische Propaganda bei jeder Gelegenheit das Thema des Krieges 08.08.08 als „Bruderhilfe“ für südossetinische Separatisten darstellt, befindet sich die georgische Seite (diejenigen, die eigentlich darüber sprechen müssten) in schweigender Geisteserstarrung und kommt auf das Thema nur zurück, wenn die gesellschaftlichen Organisationen und Initiativgruppen sie daran erinnern.
Leider gibt es gar nicht so viele zugängliche und fürs breite Publikum bestimmte Berichte und unabhängige Untersuchungen zu Fakten und Voraussetzungen, die zur russischen Militäraggression gegen Georgien 2008 geführt hatten, und was es gibt, ist entweder auf Georgisch oder im besten Fall auf Englisch. Für einen Russischsprachigen, und das ist kein kleines Publikum wie in der Ukraine so auch in allen anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion inklusive Russland selbst, ist es gänzlich unmöglich eine reale, keine russische Auffassung jener Ereignisse zu finden.
Aber diese Informationen, die auf konkreten Fakten basieren, gibt es dennoch. Zu einem solcher Berichte gehört die Untersuchung, die auf der Website damoukidebloba.com (dt. „Unabhängigkeit) veröffentlicht wurde, die das Projekt einer gesellschaftlichen Initiativgruppe unter Mitwirkung des IDFI (Institut der Entwicklung von Informationsfreiheit) ist, das sich der verlogenen russischen Propaganda widersetzt.
Das internationale Team InformNapalm initiiert nun die Übersetzung dieser Art von Materialien ins Russische und andere Sprachen zwecks Verbreitung dieser Informationen unter einem grösseren Publikum.
Russische „Friedenstifter“ im Augustkrieg 2008
Wenn man die Wichtigkeit der Untersuchung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit berücksichtigt, die im Lauf des Krieges in Georgien 2008 begangen wurden, möchte damoukidebloba.com die Aufmerksamkeit auf Schlüsselumstände lenken, die eine Bedeutung für die Ermittlung seitens des internationalen Gerichtshofs haben. Wir finden, dass für maximale Objektivität der Ermittlung der Staatsanwalt des internationalen Gerichtshofs und die Regierung Georgiens die Fakten, die in diesem Artikel dargelegt werden, zu ihrer Kenntnis nehmen sollten.
Der Staatsanwalt des internationalen Gerichtshofs Fatou Bensouda wandte sich an das Gericht für eine Ermächtigung für die Ermittlung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die im Lauf des Krieges in Georgien 2008 begangen wurden. Entsprechend der offiziellen Erklärung der Staatsanwältin wird dabei geplant, ausser den anderen Verbrechen auch die Umstände des Überfalls auf das russische Friedensstifter-Kontingent in Zchinwali zu ermitteln. Nach ihren Worten und basierend auf der vorhandenen Information, starben infolge des Überfalls von georgischen Streitkräften auf die Militärbasis der Russen 10 Soldaten, weitere 30 russische Friedensstifter wurden verwundet, wobei die Militärbasis inklusive des Krankenhauses vernichtet wurde.
In Anbetracht dessen, dass die offene Einmischung der Russischen Föderation in die inneren Angelegenheiten Georgiens wesentlich früher begann, als die beschriebene georgische Operation, hatten die sogenannten russischen „Friedensstifter“ ihr herkömmliches Mandat und das Vertrauen zu dem Zeitpunkt schon verloren.
Russischer Chronologie nach sind die russischen Militärs nach dem „plötzlichen“ Überfall der georgischen Soldaten eingedrungen.
Allerdings:
- Am 7. August um circa 23:30 drangen 150 Panzer und militärische LKWs der regulären russischen Armee in den Rokski Tunnel in Richtung Zchinwali ein.
- „New York Times“ veröffentlichte einen Artikel, entsprechend welchem die westlichen Geheimdienste im Besitz der Beweise für den Durchmarsch des Rokski Tunnel von zwei Bataillonen des 135. Regiments der 19. Division der 58. russischen Armee in der Nacht vom 7. auf den 8. August sind.
- Am 8. August um 3:41 und 3:52 erhielt die georgische Aufklärung zwei Telefonmitschnitte der Gespräche zwischen den Mitarbeitern der „Grenzbehörde“ der südossetinischen Separatisten. Diese Mitschnitte beweisen, dass 20 Stunden vor dem georgischen Gegenangriff die russischen Militäreinheiten in den Rokski Tunnel eingedrungen waren.
Es is wichtig zu erwähnen, dass russische Amtspersonen die Existenz dieser Telefonmitschnitte nicht bestritten haben und behaupteten, dass diese Abteilungen zur Rotation der Friedenskräfte in Zchinwali gekommen seien. So ist es nicht, denn entsprechend dem Friedensvertrag sollte die Rotation tagsüber durchgeführt werden und alle Seiten (darunter auch die Regierung Georgiens und OSZE) hätten ein Monat im voraus über so eine Rotation in Kenntnis gesetzt werden müssen. Die vorangegangene Rotation der russischen Friedenskräfte fand dabei im Mai 2008 statt.
In dem Zusammenhang, dass die Staatsanwältin des Internationalen Gerichtshofs den georgischen Angriff auf die russischen „Friedenskräfte“ im Kontext eines Verbrechens betrachtet, ist es nun wichtig, die Sachlage mit den russischen Friedenskräften in Georgien genau zu untersuchen. Welche Rolle spielten diese Abteilungen in der Konfliktverschärfung und sind sie im Besitz des benötigten Mandats gewesen?
Bevor man die Chronologie des Krieges 2008 darlegt, sollte man präzisieren, unter welchen Umständen die russischen Friedensstifter ihr Mandat verlieren, woraufhin man auch objektive Schlussfolgerungen ziehen kann.
Die UNO erarbeitete drei Schlüsselprinzipien für Friedensoperationen:
- Beidseitige Zustimmung.
- Unbeteiligtheit
- Nichtanwendung der Gewalt, mit Ausnahme der Selbstverteidigung und der Verteidigung des Mandats
Entsprechend dem Punkt 5 des Abkommens über die militärische Beobachtung und friedensstiftende Aktivität in den GUS-Staaten (vom 20. März 1992) müssen die Friedensstifter unvoreingenommen sein und dürfen sich nicht an Militäroperationen zur Unterstützung der einen oder anderen Konfliktseite beteiligen.
Dementsprechend stellt ein Verstoss gegen die obengenannten Prinzipien das friedensstiftende Mandat automatisch in Frage. Somit, wenn wir die Chronologie wiedergeben, müssen wir diese Prinzipien berücksichtigen und ihre Einhaltung analysieren.
Wir bieten unserem Leser ein paar Fakten an, die ein wenig Licht auf die Teilnahme der russischen „Friedensstifter“ am georgischen Krieg werfen.
Trotz der Tatsache, dass georgische Artillerie am 7. August die Stellungen der ossetinischen Separatisten beschossen hat, gab es keinerlei Bedrohung für die russischen Friedenskräfte-Militärbasen im Raum von Zchinwali. Die georgischen Kräfte hatten keinen Befehl zur Feuereröffnung in Richtung dieser Stellungen (trotz der Tatsache, dass russische Intervention bereits begonnen hatte). Dies wird durch das unten angeführte Video bestätigt, das am 8. August um 5:40 gedreht wurde. Obwohl die georgischen Kräfte in Richtung der ossetinischen Separatisten herausgerückt waren, funktionierte die russische Friedenstifter-Militärbasis einwandfrei. Sie wurden weder angegriffen noch vernichtet noch entwaffnet.те
Also, was genau ist denn in Zchinwali passiert und was hat die georgischen Militärs dazu bewegt, Feuer auf die russische „Friedensstifter“-Einheit zu eröffnen? Um das zu verstehen, müssen wir ein paar Vorfälle untersuchen.
Leutnant Oleg Golowanow
Am 22. November 2008 veröffentlichte die analytische Online-Ressource „Das ossetinische Radio und Fernsehen“ einen Artikel unter dem Titel „Oleg Golowanow starb eines Heldentodes im Lauf der Militäroperation“. Entsprechend diesem Artikel diente der 32-jährige Oleg Golowanow in der Aufklärung des „Verteidigungsministeriums“ von Ossetien im Rang eines Zugkommandeurs. Am 7. August führte Golowanow einen Befehl aus. Im besonderen wurde er damit beauftragt, feindliche (georgische) Ziele aufzudecken und Artilleriefeuer auf ihre Stellungen zu richten. Entsprechend dem gleichen Artikel, beschossen die ossetinischen Separatisten georgische Soldaten vom Territorium der russischen Friedensstifter-Militärbasis aus. Die Artillerie-Beobachtung wurde von den Dächern der Kasernen russischer Friedensstifter aus geführt.
Nachdem die georgische Seite die Stellung des ossetinischen Artilleriebeobachters aufgedeckt hatte (womöglich durch eine Funksprachabhörung), hat sie Feuer eröffnet. Andere Quellen bestätigen ausserdem ebenfalls, dass Oleg Golowanow zum ersten Opfer auf dem Territorium der russischen Friedensstifter-Militärbasis in Zchinwali geworden ist. Zum Beispiel führte der russische Militärkorrespondent Alexander Wiktorow in seinem Artikel „Ein Jahr nach dem Augustkrieg: Wer hat die Friedensstifter verraten?“ direkte Beweise an, solche wie Aussagen des medizinischen Personals der Militärbasis, zugunsten dieser Fakten.
Ferner bestätigt das indirekt auch der General der russischen Friedenskräfte Kulachmetow, wobei in diesem Fall Golowanow als Friedensstifter und nicht als ein Soldat des ossetnischen Verteidigungsministeriums bezeichnet wird. Auf die Anfrage des Ermittlungskomitees Russlands behauptete Kulachmetow, dass die georgische Seite Feuer auf einen Beobachtungspunkt eröffnet habe, was zum Tod eines und der Verwundung eines anderen Friedensstifters führte.
Interessanterweise löschte die ossetinische Ausgabe nach der Verbreitung dieser Nachricht umgehend ihren obengenannten Artikel zum Tod von Golowanow. Der Link http://osradio.ru/genocid/10778-oleg-galavanov-pogib-projaviv-muzhestvo-i-geroizm.html existiert nicht mehr. Dennoch wurden Screenshots und Kopien des Artikels abgespeichert und sind auf anderen Web-Ressourcen noch immer zugänglich.
Auch sollte man die unabhängige Aussage der Zeugin Irina Kuksenkowa erwähnen, einer Korrespondentin des „Moskauer Komsomolez“, zur Bestattung von Oleg Golowanow in Zchinwali.
Die ossetinische Kommission zur Ermittlung von Kriegsverbrechen behauptet dagegen, dass der Verbleib der Leiche unbekannt sei:
Nichtsdestotrotz und unabhängig davon, was genau nach dem Tod von Golowanow geschah, ist das Wichtigste von all dieser Information die Tatsache, dass der Zugkommandeur der Aufklärung des „Verteidigungsministeriums“ von Ossetien in der Nacht vom 7. auf den 8. August sich nicht irgendwo aufhielt, sondern auf dem Dach der Kaserne russischer Militärbasis, wo der Beobachtungspunkt eingerichtet wurde.
Genau von dieser Stelle aus wurde die Artilleriebeobachtung in Richtung der georgischen Armee geführt. Es gibt keine Zweifel daran, dass diese Aktivität nur mit Billigung der russischen Friedensstifter ausgeführt werden konnte. Des Weiteren zeigen die nachfolgenden Ereignisse, dass infolge des Gegenfeuers von der georgischen Seite ein weiterer russischer Friedensstifter verwundet worden war, der sich zusammen mit Golowanow auf dem Dach befand. Das bedeutet, dass russische Friedensstifter unmittelbar an den Militäroperationen beteiligt waren und eine Konfliktseite darstellten.
Feuer seitens der russischen Friedensstifter
Es existiert ein Video von 6:00 Uhr morgens des 8. August, in dem die Situation auf der russischen Friedensstifter-Militärbasis festgehalten wurde. Das war der erste Feuerkontakt zwischen den georgischen und russischen Kräften.
Das Video beweist, dass die russische Militärbasis vom Artilleriefeuer unbeschädigt geblieben war. Man hört starkes Kreuzfeuer, und in der 6., 37., 64. und 71. Sekunde hört man deutlich Befehle der russischen Offiziere zur Feuereinstellung. In der 3:45 Minute sieht man den Beobachtungspunkt auf dem Kasernendach, der von Georgiern beschossen wird. Das ist genau die Stelle, wo sich Golowanow während der ossetinischen (russischen) Artillerie-Beobachtung befand.
In der 1:35 Minute hört man einen Befehl: „Schießt nicht von dort aus, sie schiessen auf die Krankenstube zurück!“. Somit wird bestätigt, dass russische Friedensstifter am Kampf gegen die georgischen Abteilungen teilnahmen, und zwar bevor der georgische Panzer Feuer auf den Beobachtungspunkt auf dem Dach der Kaserne russischer Friedensstifter eröffnete. Das Video zeigt auch, dass russische Friedensstifter nicht nur Artilleriefeuer führten, sondern auch Panzerabwehrraketen einsetzten.
Die Information aus verschiedenen Quellen erlaubt es schlusszufolgern, dass russische Friedensstifter den Befehl hatten, die Offensive der georgischen Streitkräfte mit aller Gewalt aufzuhalten. Die vorhandenen Hinweise auf diese Information wurden zum Großteil gelöscht, ein Teil wurde aber vom bekannten russischen unabhängigen Politologen A. Illarionow kopiert und abgespeichert, und in einem Artikel zu diesem Thema veröffentlicht.
Wichtig ist zu erwähnen, dass es der zweite Verlust des russischen Friedenskräfte-Kontingents ausserhalb der Militärbasis war. General Kulachmetow erklärte, dass er dem Infanterie-Bataillon befohlen habe, zum Dorf Nikosi auszurücken, um die Konfrontation der Seiten entsprechend dem Mandat zu stoppen.
Nach einem intensiven beidseitigen Feuer sieht so ein Befehl seitens des russischen Friedenskontingents ulkig aus. Auf dem Photo ist die vernichtete russische Militärtechnik zu sehen.
Die in diesem Artikel beschriebenen Fakten und Analyse weisen auf eine einfache Schlussfolgerung hin: die sogenannten russischen „Friedensstifter“ hatten ihr Mandat in der Zchinwali-Region zu dem Zeitpunkt verloren. Ausserdem sind sie zu einer Konfliktseite geworden und waren in einen Krieg gegen die georgischen Streitkräfte involviert.
Die Ermittlungsbehörden Georgiens konnten nicht alle Fakten untersuchen, die in diesem Artikel präsentiert wurden, denn sie haben keinen Zugang zu den Territorien, die ausserhalb ihrer Kontrolle liegen. Zugleich finden wir, dass der Staatsanwalt des Internationalen Gerichtshofs und die Regierung Georgiens ihre Aufmerksamkeit auf die obengenannten Fakten für die Durchführung einer maximal objektiven und gut dokumentierten Untersuchung lenken sollten.
Original:
- Englisch RUSSIAN PEACEKEEPERS IN THE 2008 AUGUST WAR;
- Georgisch: რუსი „სამშვიდობოები“ 2008 წლის აგვისტოს ომში.
Quelle: damoukidebloba.com; übersetzt von Irina Schlegel. Nachdruck und Verbreitung dieser Information unter Hinweis auf die Quelle ist sehr willkommen.
Lesen Sie zum Thema auch: „08.08.08: Zum Jahrestag des Beginns des russischen Revanchismus“
6 Responses to “Russische „Friedensstifter“ im Augustkrieg 2008”
14/11/2015
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