Wir möchten einmal vom Ernst des Lebens ablassen und unseren Feind ein wenig auf die Schippe nehmen, zumal es gesund ist, selbst in den schlimmsten Zeiten noch Zeit fürs Lachen zu finden.
Unser Gegner bietet uns oft die Gelegenheit ihn auszulachen, angefangen bei selbstsprechenden Bildern der russischen Soldateska und bis hin zu höchsten russischen Funktionären, die des Öfteren bitterernste Aussagen machen, über deren offensichtlichen Wahnsinn dann die ganze Welt lacht. Im Grunde ist es nicht verwunderlich: Nazis, Rassisten, Chauvinisten und Imperialisten bieten oft eine Plattform für Humor, denn ihre Aussagen grenzen oft an Idiotie.
Ich möchte heute aber von einer ganz bestimmten Persönlichkeit sprechen, die uns letzte Woche unerwartet ganz viel Freude bereitete.
Darf ich vorstellen: Alexander Prochanow, einer der führenden Ideologen des russischen Faschismus, „patriotischer Schriftsteller“ und Vorsitzender des berüchtigten Isborsk-Klubs, der von seinem Account dazu aufrief, die Ukrainer zu vernichten und von dem die Aussage stammt: „Ich möchte in einem brennenden Panzer sterben, der von den Amerikanern angezündet wurde und über Kreschaytik fährt!“ (Anm.d.Red.: „Kreschatyk“ ist die Hauptstraße im Zentrum Kiews). Darüber hinaus ist er ein bekennender Stalinist, bezeichnet sich dabei seltsamerweise als „orthodoxen Stalinisten“ – was das wohl sein soll und wie Stalin darauf regieren würde, kann ich mir kaum vorstellen. Auch ist er einer der Lobsänger von Putin und seiner mythischen „Russischen Welt“, die eine Fortsetzung des längst verstorbenen Imperiums sein sollte, aber wohl nie mehr wird. Prochanow war auch ein Gegner von Gorbatschows Politik, Perestroika und dem Zerfall der Sowjetunion, den er eine „Katastrophe“ nannte. Ganz im Sinne derer, die er bewundert, sagt er immer wieder: „Wir brauchen keine Wahrheit – wir brauchen den Sieg!“
Selbstverständlich war er 2014 einer der lautesten Verfechter der Krim-Annexion und der allrussischen Hysterie, die der ganzen Welt als „KrimUnser!“ („KrimNasch!“) bekannt ist. Er war auch einer der Ideologen von „Neurussland“ und pries dieses Projekt als einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung des Russischen Imperiums hoch. Im November 2014 führte er ein Interview mit dem russischen Terroristen und einem der ersten russischen Feldherren, die Krieg und Zerstörung in den ukrainischen Donbas brachten – Igor Girkin (Strelkow). Das Interview ist voller Begeisterung und Respekt vor diesem Monster, der in Slowjansk den „Kriegszustand“ erklärt hatte und Schießbefehle selbst gegen Zivilisten abgab (ganz in Stalin-Manier). Ich führe nur zwei Auszüge aus diesem Interview an:
- Prochanow: „…Ich habe die Prozesse sehr aufmerksam beobachtet, habe die Dynamik ihrer Auftritte verfolgt, und vielleicht auch die Dynamik ihres Schicksals. Und ich finde, dass Sie alles richtig gemacht haben. Alles haben Sie richtig gemacht! Wenn man von der tatsächlichen Kräfteverteilung ausgeht, haben Sie gar nicht anders reagieren können. Andererseits ist alles, was sie taten – eine Messias- Heldentat“.
- Prochanow: „Ich glaube, alles, was in Slowjansk und Donezk mit Ihnen geschah, ist auf die eine oder andere Art mit dem Wiederaufbau des Staates verbunden. Und Sie haben sich nicht einfach nur an der Wiederherstellung einer militärischen Organisation beteiligt, sondern an der Wiederherstellung des Staates im Ganzen. Also spielten Sie bewusst oder unbewusst eine politische Rolle – Sie standen an den Anfängen der Bildung eines Staates“.
Der russische „Schriftsteller“ sprach auch davon, dass „Strelkow einen Platz in der russischen Geschichte einnahm“. Als eine weitere Ausgeburt der Sowjetunion, die Tausenden Menschen Leid und Entbehrungen gebracht hat? Gut möglich. Wie bekannt, begab sich ein anderer russischer Schriftsteller kürzlich in den Donbas und stellte dort ein eigenes Bataillon auf – Sachar Prilepin, ein weiterer russischer Nationalist, der die Ukrainer vernichten möchte und den Donbas wohl dazu benutzt, Werbung für seine Bücher in Russland zu machen.
Nun ja, ich habe ja einen Spaß versprochen: Die Jungs aus der UCA (Ukrainische CyberAllianz) haben neulich das FB-Account von Prochanow gehackt. Dieser Hackerangriff wurde für einige Tage zu einem der Hauptthemen in den russischen Medien. Alexander Prochanow war dermaßen über diesen Angriff entsetzt (besser gesagt – fürchtete sich davor, dass er nun seitens des Kremls des Verrats verdächtigt werden könnte), dass er gleich ganz viele Interviews gab, darunter auch dem russischen „Ersten TV-Kanal“:
„Sie sind nicht einfach nur in mein Haus eingebrochen, sondern in mein Bethaus! Auf dieser Seite habe ich meine innigsten Texte veröffentlicht, meine philosophischen Gedanken! Das ist eine Schändung! Ich bin zutiefst verletzt! Ich würde auf diesen totalen Krieg mit einem totalen Schlag antworten!“, sagte er.
Währenddessen machten sich unsere ukrainische Hacker einen Spaß daraus, die gehackte Seite von Prochanow zu verunstalten. Zunächst haben sie alle seine kriegshetzerischen Propagandaposts mit Lobpreisungen der Massenmöder Stalin und Putin gelöscht und begannen dann, lustige Texte in der Manier von Prochanow selbst zu schreiben.
Das Witzige ist, dass der Fake vielen Lesern von Prochanow gar nicht auffiel, und selbst Prochanow sagte in einem Interview, dass er nicht glaube, dass diese Texte irgendwelche Ukrainer geschrieben haben könnten, denn seinen Stil könnten ja „nur Menschen nachmachen, die eine philologische Ausbildung haben“. Bis dahin schwiegen unsere Hacker zwar, auf diese Aussage sah sich aber Sean Townsend, ein Vertreter der UCA, der die Texte geschrieben hatte, gezwungen zu antworten: „Das hat mich jetzt aber getroffen. Um Prochanows Text nachzumachen, musste ich nur zwei seiner Texte diagonal durchlesen und habe daraufhin den Post in 15 Minuten geschrieben“.
Tja, entweder sind unsere Hacker überaus literarisch begabt (was durchaus der Fall ist) oder aber der „große russische Schriftsteller“ Alexander Prochanow schreibt so, wie der deutsche Slawist Wolfgang Kosak seinen Stil mal beschrieben hatte: „Für Prochanows Werke ist eine banale, süßliche Schreibmanier charakteristisch, die auf schamloser Lüge basiert oder mit billigen verschöndernden Beiwörtern überfüllt ist“.
Zum Spaß führe ich ein Textbeispiel an, das ukrainische Hacker nun auf der FB-Seite von Prochanow posten:
„Gerade in diesem Moment wird meine FB-Seite aus Moskau angegriffen. Ich habe es geschafft! Bin mit dem ersten Flug nach Kiew gekommen. Ich werde vorsichtiger sein, als Woronenkow es war. Kiew! Die Mutter aller russischen Städte! Hier ist es sonnig. Habe gerade über den Terroranschlag in St. Petersburg erfahren. Ich kann nicht mehr in dem grausamen, unmenschlichen Alptraum bleiben, in den sich das moderne Russland verwandelt hat! Ich werde von Kämpfern der SBU-Spezialabteilung „Alfa“ bewacht. Danke, SBU!“
Darüber hinaus haben die Hacker die FB-Seite des russischen Stalinisten mit Artikeln von InformNapalm gefüllt.
Das alles hat den russischen Propagandisten und Kriegshetzer dazu gebracht, sich im russischen Fernsehen und Zeitungen permanent zu rechtfertigen. Er hat es mit seinen Klageliedern über die „Ukros“ selbst in die Nightshow des berüchtigten russischen Propagandisten Dmitry Kiseljow (der 2014 der ganzen Welt mit Atomasche drohte) geschafft.
Die Hacktivisten haben auch die Kommentarfunktion für alle geöffnet, und nun finden sich im Profil (bei dem übrigens neue Leser hinzukamen) ziemlich lustige Kommentare. Einer schrieb sogar: „Toll, dass Herr Prochanow endlich die Kontrolle über sein Account wieder zurückbekommen hat – er war doch mindestens zehn Jahre lang gehackt!“
Im Grunde handelt es sich hier um ein Beispiel für effektive Abwehr der Propaganda.
Russland versucht, sich vor der ganzen Welt als Opfer darzustellen und tut so, als ob die ganze Welt gegen es wäre. Den Überfall auf die Ukraine, die Annexion der Krim, den Krieg im Donbas und die Bombardierungen von Zivilisten in Syrien, sowie Provokationen und subversive Tätigkeit in Europa – diese ganzen Verbrechen, die Russland seit Jahren begeht, verschweigt es dabei lieber.
Die Ukraine fand sich auf der vordersten Frontlinie in diesem Krieg wieder, und von den ukrainischen staatlichen Strukturen hört man nur Klagen über fehlende Mittel für Gegenmaßnahmen und riesige Budgets der russischen TV-Sender – das wäre angeblich der Grund dafür, warum man der Kremlpropaganda keinen effektiven Widerstand leisten könne.
Punktmäßige Operationen der UCA-Hacktivisten erfordern dabei keinen einzigen Cent aus der Staatskasse und haben dem Gegner dennoch bereits einen großen Schaden zugefügt. Der Westen bevorzugt zwar, Millionen für runde Tische auszugeben, die der Abwehr der Propaganda gewidmet sind – ein echter effektiver Kampf gegen den Aggressor besteht aber in Gegenmaßnahmen. Man kann noch so viel analysieren, wie das russische TV die Russen beeinflusst – wenn man darauf nicht reagiert, wenn man ihnen keine informative Erschütterung beschert, sie nicht aus der Anabiose herauszieht, wird der Krieg sich fortsetzen.
Das ist ein Beispiel dafür, wie die Ukrainer nicht still herumsitzen und darauf warten, dass der Staat und die Geheimdienste sie vor der russischen Aggression verteidigen, sondern ihre Bemühungen selber vereinen, Initiative ergreifen und sich Schritt für Schritt dem Sieg nähern.
P.S. Nach dem US-Angriff auf die syrische Militärbasis Schairat, der wie bekannt, überaus human und hauptsächlich gegen das syrische Militärgerät und die Flugzeuge gerichtet war, die am Giftgas-Angriff auf syrische Zivilisten am 4. April beteiligt waren, übertraf sich Prochanow ein weiteres Mal und sagte in einer Talkshow im „Ersten TV-Kanal“, dass die Russen daraufhin die Ukraine aus der Luft angreifen sollten.
Das ist die Welt der russischen Propagandisten: Als Antwort auf einen amerikanischen Angriff in Syrien, dem sie nichts entgegenzusetzen haben, möchten sie die ganze Welt mit Luftangriffen auf die Ukraine erpressen.
Dieses Material wurde von Andrew Lysytskiy und Irina Schlegel exklusiv für InformNapalm vorbereitet. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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One Response to “Wahrheitsserum für russische Propagandisten: Das gehackte FB-Account des Stalinisten Alexander Prochanow”
31/12/2017
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