
Am frühen Morgen des 4. April 2017 führten die Kräfte Russlands und Assads einen Luftangriff auf die Stadt Chan Schaichun in Zentralsyrien aus. Auf die Stadt wurden Bomben mit dem Kampfstoff Sarin abgeworfen. Infolge des Angriffs wurden über 100 Zivilisten getötet, über 500 wurden vergiftet. Der Einsatz von Sarin wurde auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt.
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte als Antwort auf die Beschuldigung, an dem chemischen Angriff beteiligt gewesen zu sein, folgende Erklärung, in der es seine eigene Sichtweise auf die Ereignisse präsentierte und seine Beteiligung an dem Gasangriff abstritt. Das Assad-Regime dementierte seine Beteiligung an diesem Verbrechen ebenfalls.
„Nach Angaben der russischen Einrichtungen für objektive Kontrolle über den Luftraum, hat die syrische Luftwaffe gestern zwischen 11:30 und 12:30 Uhr einen Angriff im Raum des östlichen Randes der Ortschaft Chan Schaichun auf ein großes Depot mit Munition und Militärgerät der Terroristen ausgeführt. Auf dem Territorium dieses Depots befanden sich Hallen zur Herstellung von Sprengminen, die mit Giftstoffen gefüllt werden. Aus diesem großen Depot haben die Söldner Munition mit chemischen Waffen auf das Territorium des Irak gebracht. Ihr Einsatz durch die Terroristen wurde mehrmals sowohl von den internationalen Organisationen, als auch von den offiziellen Behörden dieses Landes bestätigt,“ steht im Bericht.
Selbst bei oberflächlicher Betrachtung wird diese Erklärung leicht widerlegt und die Beschuldigung wegen Einsatz von chemischen Waffen kann man nun mit der Beschuldigung des Verteidigungsministeriums Russlands in Person des Generals Konaschenkow wegen Verleumdung ergänzen.
Die russischen Vertreter des Verteidigungsministeriums und russische Diplomaten werden nicht zum ersten Mal bei einer Lüge ertappt, was ihre Kriegsverbrechen im Donbas und in Syrien angeht: „InformNapalm an Russlands Aussenministerium: Es gibt genug Gründe für ein Militärtribunal„.
Tatsache ist jedoch, dass der Gasangriff nicht in der Zeit zwischen 11:30 und 12:30 Uhr erfolgte sondern einige Stunden früher, im Morgengrau. Es gab überhaupt kein Depot mit Munition, geschweige denn eins mit chemischen Waffen. Und es konnte auch keins geben, denn Chan Schaichun ist eine Stadt, die die Aufständischen erst kürzlich von den Assad-Truppen befreit haben. Es kann gar keine Rede von Lieferung chemischer Waffen durch IS-Söldner nach Irak sein, denn erstens kämpfen alle lokale Gruppierungen gegen den IS, und zweitens sind sie vom IS durch Territorien getrennt, die sich unter Assad-Kontrolle oder aber unter Kontrolle von kurdischen pro-Assad-Formationen befinden. Andererseits konnten chemische Waffen durchaus in die Hände des IS in Palmyra gelangen, da sich dort einer der 5 Betriebe befindet, das Russland in Syrien zur Herstellung von Giftstoffen gebaut hat. Gerade die Fakten des Einsatzes von chemischen Waffen durch den IS gegen die irakische Armee, Militärangehörige der Koalition und syrische Aufständische wurden durch internationale Aufsichtsbeamte dokumentiert, was in folgenden Materialien festgehalten wurde: 1, 2, 3, 4.
- Lesen Sie zum Thema: Chemische Bedrohung in Aleppo und russische Inszenierungen zur Aufmerksamkeitsablenkung
Und noch ein weiteres wichtiges Detail: In den ganzen 6 Jahren dieses Krieges kamen zu irgendeinem Zeitpunkt chemische Waffen weder gegen russische Militärangehörige noch gegen das Assad-Regime zum Einsatz.
Lesen wir weiter die Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums: „Diese Munition wurde von den Söldnern im syrischen Aleppo eingesetzt, wo russische Wehrexperten Ende letzten Jahres ihren Einsatz festgehalten haben,“ vermerkte Konaschenkow. Die Symptome der Vergifteten in Chan Schaichun stimmen, soweit dies Bildern in sozialen Netzwerken zu entnehmen ist, mit denen überein, die im Herbst letzten Jahres bei Einwohnern von Aleppo zu beobachten waren. Damals wurden alle Fakten des Einsatzes von chemischen Waffen in Syrien zusammen mit Bodenproben dokumentiert und an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) übergeben.
„Aber die OPCW, die alle Materialien und Proben bekommen hatte, die den Einsatz von Giftstoffen in Syrien beweisen, untersucht sie noch immer,“ sagte Konaschenkow.
Und wieder eine Lüge. Die Fakten über den Einsatz von chemischen Waffen in Aleppo gab es tatsächlich, aber es war der Einsatz von Chlorgas, und zwar über den Chlorgas-Einsatz von ihm durch die Assad-Armee gegen die Aufständischen und nicht umgekehrt. Alle Aussagen der russischen Vertreter anlässlich dieses Angriffs sind banale Hirngespinste, die in erster Linie für den Zuschauer des russischen TVs bestimmt sind.
Um die chemischen Waffen einzusetzen, muss man in erster Linie welche haben. Ihr Vorhandensein bei den Aufständischen wurde aber noch nie von irgendjemand dokumentiert. Dafür haben aber Assad und Russland solche Waffen.
Zweitens muss es die Mittel zum Transport von chemischen Waffen geben, wie Flugzeuge, Hubschrauber, Raketen, spezielle Bomben und Geschosse. Das alles besitzen Russland und Assad sehr wohl, nicht aber die Aufständischen.
Drittens, werden für chemische Waffen Spezialisten gebraucht. Diese stehen ebenfalls Assad und Russland zur Verfügung, gibt es aber bei den Aufständischen nicht. Chemische Waffen sind erstmals mit Lieferungen aus der UdSSR nach Syrien gelangt, in Syrien selbst wurden sie nie hergestellt. Dann bauten zunächst die UdSSR und dann Russland 5 Werke in Syrien zur Herstellung von giftigen Kampfstoffen, und zwar in Damaskus, Palmyra, Homs, Sfireh und Tartus.
Die Beteiligung Russlands an dem grausamen chemischen Angriff in Chan Schaichun wird durch etliche Fakten bestätigt. Am Vorabend des Angriffs hatte die russische Luftwaffe Luftangriffe auf einige Krankenhäuser in unmittelbarer Nähe zu Chan Schaichun ausgeführt. Nach dem Gasangriff hat die russische Luftwaffe genau das Krankenhaus in Chan Schaichun angegriffen, wohin ein Teil der Verletzten eingeliefert wurde. Die Menschen mussten in die Türkei und in den Norden des Landes gebracht werden, was den Verlust kostbarer Zeit bedeutete.
- Lesen Sie zum Thema die Untersuchung von InformNapalm mit Identifizierung von Offizieren der russischen Luftwaffe, die an Luftangriffen auf Zivilisten Syriens beteiligt waren: „Wer bombardiert syrische Zivilisten: Angaben zu 116 Offizieren der Luftwaffe Russlands (Infografik)“
Auf Frankreichs Initiative fand gestern in New York anlässlich des Einsatzes von chemischen Waffen in Syrien eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats statt. Der stellvertretende Verteidigungsminister Russlands Gennady Gatilow sagte dazu, dass Russland für den Fall der Verabschiedung einer UN-Resolution, in der der Einsatz der chemischen Waffen gegen die syrischen Zivilisten durch Assad verurteilt wird, ein Veto dagegen einlegen wird… Es ist kaum zu begreifen, warum ein Land, das nachweislich in den letzten Jahren so viele Verbrechen begangen hat, noch immer ein Veto-Recht bei der UNO besitzt…
Russland unterstützt seit langem die Fortsetzung der Kriegshandlungen in Syrien und agiert an der Seite der Truppen von Baschar al-Assad. Es verlegt weiterhin große Mengen an Waffen und Munition, und ist dabei in Syrien nicht nur mit seiner Luftwaffe, sondern auch mit Bodentruppen vertreten. Die Beweise für den Einsatz von Bodentruppen Russlands am syrischen Krieg wurden mehrmals in verschiedenen InformNapalm-Unterschungen festgehalten.
In diesem Zusammenhang rufen wir die Weltgemeinschaft dazu auf, Russland das Vetorecht endlich zu entziehen.
Dieses Material wurde von Sergei Repin exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel; editiert von Klaus H. Walter. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
5 Responses to “Chemischer Angriff in Syrien: Warum Russland wieder ein Veto gegen die UN-Resolution einlegte”
07/04/2017
Hochpräzise US-Raketenangriffe brannten die Flugzeuge direkt in den Hangars nieder - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Verbündeten in der Person der Russischen Föderation die Stadt Chan Scheichun in Zentralsyrien an. Infolge des chemischen Luftangriffs starben 100 Zivilisten, über 500 wurden […]
08/04/2017
Syrien: Auf der Basis Schaayrat wurden Behälter für chemische Waffen entdeckt - InformNapalm.org (Deutsch)[…] in der Person der Russischen Föderation die Stadt Chan Scheichun in Zentralsyrien angegriffen. Infolge des chemischen Luftangriffs starben 100 Zivilisten, über 500 wurden […]
10/04/2017
Behållare för kemiska vapen på Shayrat flygbas i Syrien - InformNapalm på svenska[…] flygbas i provinsen Homs i västra Syrien. Den här attacken var ett svar på den senaste tidens attacker mot civila med det kemiska vapnet […]
11/04/2017
Wahrheitsserum für russische Propagandisten: Gehacktes FB-Account des Stalinisten Alexander Prochanow - InformNapalm.org (Deutsch)[…] und Flugzeuge gerichtet war, die am Giftgas-Angriff auf syrische Zivilisten am 4. April beteiligt waren, übertraf sich Prochanow ein weiteres Mal und sagte in einer Talkshow im Ersten TV-Kanal, dass die […]
16/04/2018
Syrien und die Reaktionen auf den Vergeltungsschlag des Westens... - InformNapalm (Deutsch)[…] leistete und dem syrischen Regime permanent politische Deckung beim Einsatz von chemischen Waffen zur Verfügung stellte, sowohl im UN-Sicherheitsrat als auch bei der […]