von Irina Schlegel
Am 25. November 2018 hat sich Russland öffentlich zu seinem Status eines Terror- und Aggressorstaates bekannt.
Am Sonntag, den 25. November 2018, verübte Russland einen militärischen Aggressionsakt gegen die Ukraine. Während der planmäßigen Durchfahrt der ukrainischen Militärschiffe „Berdjansk“ und „Nikopol“ sowie des Schleppers „Jana Kapu“ aus dem ukrainischen Odessa (am Schwarzen Meer) ins ukrainische Mariupol (am Asowschen Meer) griff Russland die Ukraine an. Entgegen dem Seerechtsübereinkommen der UNO und dem Vertrag zwischen Russland und der Ukraine über die Zusammenarbeit im Asowschen Meer von 2003, demzufolge das Asowsche Meer und die Straße von Kertsch als gemeinsames Binnengewässer gelten, haben russische Küstenwachschiffe des FSB-Grenzdienstes mit Unterstützung der Schwarzmeerflotte Russlands sowie russischen Kampfhubschraubern Ka-52 (nach Informationen der OSINT-Aufklärer von InformNapalm handelte es sich um russische Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 des 55. Luftwaffenregiments Russlands aus dem Gebiet Krasnodar) die ukrainischen Schiffe unter Beschuss genommen.
Nach einer neun Stunden andauernden Konfrontation wurden die ukrainischen Boote festgesetzt und ihre Besatzungen festgenommen. Drei ukrainische Marinesoldaten wurden bei diesem Beschuss verwundet, einer davon schwer. Insgesamt haben die Russen 23 ukrainische Marinesoldaten entführt.
Das Video des dreisten Überfalls der russischen Schiffe auf ein kleines ukrainisches Boot ging letzten Sonntag viral.
Видео тарана нашего катера в Азовском море со стороны ВМФ 🐖+🐕.Твари! С%ки! ((( Вы послушайте, сколько ненависти у этих уjобков. Разве это люди?(присутствует ненормативная лексика)Это действительно #животные в человеческом облике! Эти кадры должен увидеть весь мир!Буду стараться держать в курсе событий. Подписывайтесь.
Posted by Sergey Naumovich on Sunday, November 25, 2018
Das Video gibt uns auch einen Einblick in den allgemeinen moralischen Zustand der russischen Armee und ihrer „Offiziere“. Im Grunde hört man im Video keine zwei aufeinander folgende Worte ohne obszöne Ausdrücke. Ich glaube, selbst diejenigen, die kein Russisch sprechen, können im Video den ganzen Hass hören, den Russen gegen Ukrainer empfinden. Die russischen „Offiziere“ im Video sprechen von den Ukrainern, die sie gerade im internationalen Gewässer angreifen, wie von Kakerlaken, die sie zerdrücken müssen.
Wenn bisher dieses Bild aus Balaklawa (Krim, 2014) das Sinnbild des russischen Krieges gegen die Ukraine war, so wird wohl dieses Video nun zum neuen Sinnbild werden.
Der ukrainische SBU veröffentlichte daraufhin die abgefangene Aufnahme des Gesprächs zwischen den russischen Booten und der Küstenwache Russlands:
Russland hat nicht nur die ukrainischen Schiffe daran gehindert, zurück nach Hause nach Odessa zu fahren: Es hat sie angegriffen, wobei der Angriff nicht auf den Motor erfolgte, wie die Russen zunächst behaupteten, sondern auf den Kommandoturm, in dem sich die ukrainischen Marinesoldaten befanden, was eine versuchte Tötung der ukrainischen Marinesoldaten bedeutet:
Das ukrainische Boot „Berdjansk“ mit dem Durchschussloch.
„Russland hat ukrainische Militärboote in internationalen Gewässern des Schwarzen Meeres angegriffen und festgesetzt, also außerhalb der staatlichen Seegrenze der Ukraine, die infolge der russischen Besatzung der Krim temporär nicht unter Kontrolle der Ukraine steht. Das belegen die Koordinaten der Schiffe „Berdjansk“, „Nikopol“ und „Jana Kapu“ zum Zeitpunkt ihres Beschusses und der Festsetzung durch die Streitkräfte Russlands“, meldete das ukrainische Ministerium für Fragen der temporär besetzten Territorien. Weiter wird vermerkt, dass laut der UN-Seekonvention die militärischen Schiffe eine absolute Immunität vor der Jurisdiktion irgendeines Staates besitzen, außer dem Staat, unter dessen Flagge sie fahren.
„Laut der Definition, die in der Resolution 3314 der UN-Generalversammlung vom 14. Dezember 1974 festgehalten ist, ist ein Angriff der Streitkräfte eines Staates auf die Seestreitkräfte oder die Flotte eines anderen Staates eine Aggression. Wir betonen, dass alle festgenommenen ukrainischen Militärangehörigen unter dem Schutz des internationalen humanitären Rechts stehen, darunter der Genfer Konvention über den Umgang mit Kriegsgefangenen 1949,“ betonte das Ministerium.
Diesen klaren Akt militärischer Aggression gegen einen souveränen Staat haben die meisten Länder der Welt mit klaren Worten verurteilt. Die UNO verzichtete am Montag, den 26. November, auf die Behandlung eines Tagesordnungspunktes Russlands und eröffnete eine Sondersitzung über den ukrainischen Tagesordnungsentwurf. Der russische Vertreter bei der UNO log gewohnterweise, indem er von einem vorgefertigten Blatt ablas (die russischen UN-Vertreter haben offensichtlich genauso wenig das Recht auf freie Äußerungen wie der Rest der russischen Bevölkerung). Der russische UN-Vertreter teilte uns außerdem mit: „Die Frage der Krim ist für uns ein abgeschlossenes Thema“. Etwas ähnliches glaubte ein anderer Führer in Europa des 20. Jahrhunderts, als er das Sudetenland annektierte. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass persönliche Ambitionen eines Führers und selbst eines ganzen Volkes nichts mit Recht zu tun haben. Am Ende gewinnt immer das Recht – wozu wäre es sonst da? Und im Recht sind wir – die Ukraine und die wahren Nachfahren der Krim-Einwohner, keine Burjaten aus Russland, die bis zum Jahr 2014 wahrscheinlich nicht mal von der Krim gehört hatten…
Der ukrainische UN-Vertreter erinnerte an die europäische Geschichte des XX. Jahrhunderts: Während der Novembertagen 1939 nahm die UdSSR das kleine Finnland unter Beschuss und provozierte einen Krieg. Also macht Russland mal wieder nichts anderes, als sein Vorgänger-Terrorstaat. Der ukrainische UN-Vertreter erinnerte daran, dass damals die UdSSR daraufhin aus der Liga der Nationen verbannt wurde…
Laut dem Vertrag zwischen Russland und der Ukraine von 2003 dürfen sowohl Handelsschiffe als auch Militärschiffe beider Länder das Asowsche Meer befahren, darum hatte die Ukraine jedes Recht, durch die Straße von Kertsch zu fahren.
Seit 2003 gab es keinerlei Veränderungen in diesem Vertrag. Russische Wehrexperten vermerken, dass auch nach der Einnahme der Krim keine Veränderungen daran vorgenommen werden konnten, denn die Ukraine wäre diese nicht eingegangen – und einseitig hätte Russland keine Veränderungen eintragen können.
Die neugewählte Präsidentin der parlamentarischen Versammlung der NATO, Madeleine Moon, rief Russland dazu auf, die ukrainischen Marines und ihre Schiffe freizulassen und aufzuhören, die Ukraine daran zu hindern, ihr Recht auf freie Schifffahrt im Asowschen Meer zu nutzen: „In den letzten Monaten hat Russland die Spannung im Asowschen Meer ansteigen lassen – dadurch, dass es permanent ukrainische Schiffe durchsuchte, die aus ukrainischen Häfen kamen. Im Jahr 2003 haben Russland und die Ukraine einen Vertrag unterzeichnet, laut welchem sie beide ein Recht auf freie Schifffahrt im Asowschen Meer und der Straße von Kertsch haben. Die Einnahme von ukrainischen Schiffen ist ein provokativer Schritt, der allem Anschein nach eine vorsätzliche Situationsverschärfung in dieser Region darstellt,“ sagte Moon.
Kommentar der Stellvertretenden Außenministerin der Ukraine Olena Zerkal zum Akt militärischer Aggression von Rußland…
Posted by Ukrainische Botschaft in Berlin on Monday, November 26, 2018
Pawel Felgenhauer, ein bekannter russischer Wehrexperte, schrieb in der russischen Zeitung „Novaya Gazeta“:
„Unsere Obrigkeit und die Staatspropaganda mussten sich ganz schön anstrengen, um passende Erklärungen dafür zu finden, warum die ukrainischen Kleinboote zunächst lange auf die Durchfahrt ins Asowsche Meer warten mussten und warum sie, als sie gezwungenermaßen (die Kleinboote des Typs „Gjursa-M“ können nur fünf Tage lang autonom fahren) umkehrten, um zurück nach Hause nach Odessa zu fahren, von russischen Grenzbeamten in Abwesenheit jeglicher Außenbedrohung angegriffen wurden, wobei drei ukrainische Marines verwundet wurden. Die ukrainischen Kleinboote und der Schlepper wurden mitsamt ihrer Besatzungen (23 oder 24 Menschen nach verschiedenen Angaben) gefangengenommen und nach Kertsch verschleppt.
Das gepanzerte Artillerie-Kleinboot der ukrainischen Marine „Berdjansk“, festgesetzt im Hafen von Kertsch. Foto: RIA Novosti
Die Besatzung der Flussboote „Gjursa-M“ besteht aus fünf Menschen, die Boote besitzen eine kugelsichere Panzerung und zwei Kampfmodule der landgebundenen BM-3 „Sturm“ – am Heck und am Rumpf – jede mit einer 30-mm-Maschinenkanone, einem Gewehrgranatwerfer, einem Maschinengewehr und einem Panzerabwehr-Raketenkomplex „Barrier-WK“ ukrainischer Herstellung. Im Grunde handelt es sich um einen gekuppelten Schützenpanzer, der imstande ist, einen Nahkampf mit einem gleichwertigen Gegner auf See zu führen oder ein Ziel am Ufer unter Beschuss zu nehmen.
Und meiner Meinung nach stellten diese zwei kleinen Boote keinerlei reale Bedrohung für die Kertsch-Brücke oder für die totale Übermacht Russlands in der Luft oder auf See in der Asow-Schwarzmeer-Region dar.
Die russische Seite behauptet, dass die Anfrage zur Durchfahrt unter der Kertsch-Brücke nicht „vorschriftsgemäß“ gestellt wurde – das ist aber kein Grund, um auf lebendige Menschen zu schießen. In den langen Stunden der Konfrontation am 25. November hätte man wahrscheinlich einen Weg finden können, entweder die Durchfahrt ins Asowsche Meer zu gewährleisten oder den Ukrainern zu erlauben, zurück nach Odessa zu fahren.
In den letzten Jahren ist aber die Aggression der Mitspieler zügellos geworden: Diplomaten benehmen sich wie Flegel, Berufsaufklärer veranstalten Diversionen in europäischen Städten, Piloten und Marinesoldaten nehmen ausländische Schiffe und Flugzeuge unter Risiko einer Konfrontation fest.
Offensive Interventionen laufen auf allen Ebenen und in allen Milieus ab. Nun ist es gar zu einer Schießerei gekommen. Wobei unsere Vorgesetzten hinter den ukrainischen Booten natürlich ihre Hauptgegner sehen – die USA und die EU, die das russische Außenministerium bereits vor „ernsthaften Konsequenzen wegen einer Konfliktprovokation mit Russland im Gewässer des Asowschen und Schwarzen Meeres“ warnte.
Was ist der Grund für die Auswahl von solchen Routen der Marine der Ukraine? Die Ukrainer bauen in Berdjansk eine Marinebasis, und für deren Verteidigung werden die in Mykolajiw gerade fertiggebauten Boote dahin verlegt. Moskau befürchtet, dass die NATO-Schiffe zu einem Freundschaftsbesuch nach Berdjansk kommen könnten, sobald die Basis fertiggebaut wird. Das sind Schiffe, die im Flachwassergebiet des Asowschen Meeres agieren können, die mit Raketenwaffen großer Schussweite ausgerüstet und mit modernen Luft- und Raketenabwehr bewaffnet sind. Dann würde nämlich die Verlegung von Korvetten mit Raketen „Kaliber“ aus dem Kaspischen Meer ins Schwarzmeer und Mittelmeer erschwert werden, sowie in die umgekehrte Richtung – durch das Asowsche Meer und die Flüsse Wolga und Don, was die russische Marine permanent macht. Viele Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte können wegen des Flachwassergebietes des Asowschen Meeres dort nicht eingesetzt werden.
Der Kaukasus, die Krim, das Schwarzmeer, der Bosporus, die Basen in Syrien und die Gruppierung im Mittelmeer sind in die nun wichtigste südwestliche strategische Richtung eingebunden, die in erster Linie eine sichere Fernabwehr der russischen Stadt Sotschi gewährleisten soll – des zweiten und manchmal sogar des wichtigsten Zentrums für Koordination von Streitkräften. Und hier beabsichtigt der eventuelle Gegner einen Keil in die Grundlage dieser ganzen Strategie einzujagen, indem er eine Basis in Berdjansk errichtet…
Seit Sommer 2015 gab es in den NATO-Stäben und im Pentagon viele Diskussionen über die Möglichkeit einer solchen Operation zur Durchbrechung eines Landkorridors auf die Krim. Es schien, als ob dieser „Korridor“ nach der Fertigstellung der Kertsch-Brücke nicht mehr aktuell sei, aber nun ist es unklar, ob die Marinebasis in Berdjansk Moskau dermaßen verschreckt hat oder ob es ernsthafte Probleme mit der Kertsch-Brücke gibt, die zurzeit noch geheimgehalten werden – vielleicht ist es aber auch beides zugleich.
Es ist nicht auszuschließen, dass in der nächsten Zeit eine Winter-Kampagne zum endgültigen Abdrängen der Ukraine von der Asowschen Küste beginnen könnte.
Das Ziel dieser Operation könnte sich auf die Küste bis zum Berdjansk beschränken. Oder bis Melitopol, Henitschesk oder Tschonhar, wenn der Landkorridor auf die Krim tatsächlich gebraucht wird. In jedem Fall, falls eine solche Entscheidung um Gottes Willen tatsächlich getroffen wird, werden die russischen regulären Streitkräfte massiv eingesetzt werden müssen, besonders in dem Fall, wenn man wieder versucht, sie als „Donezker Volkswehr“ auszugeben, weshalb keine aktive Luftunterstützung möglich wird.
Übrigens, das frontnahe Mariupol kann relativ leicht umgangen und abgeschnitten werden, aber die Stadt wird danach wohl gestürmt werden müssen – wie Aleppo, mit großen Zerstörungen. Wobei es in unseren Streitkräften Kommandeure mit syrischer Kampferfahrung gibt, und Spezialisten in der Erstürmung der Städte unter Einsatz von schweren Waffen kann man sich jederzeit bestellen“.
Ein unbekannter russischer Seemann schrieb einen Beitrag auf FB, den ich hier anführen möchte, und da ich kein Seemann bin, übersetze ich lieber seinen Beitrag, denn er scheint mir am logischsten von allen Erklärungen zu sein: „Entschuldigt mich bitte, aber was da hysterisch am Steuer herumflucht – das ist kein Seemann. Man muss ein Idiot sein, um zu versuchen, einen Schiffsstoß auf einen Schlepper auszuführen. Der Schlepper kann das – er wurde dazu erschaffen. Man muss ziemlich bekloppt sein, um sich das auszudenken. Natürlich konnten sie es nicht schaffen: Sie schieben ihn wie Delfine einen Ball hin und her, und an ihm gleitet aber alles ab. Verfickte Idioten, was die Aufnahme nur bestätigt. „Er hat verstanden, dass er manövrierfähig ist!“, meldet dieser Esel auf die Küste. Halten Sie mich fest! Der Schlepper hat verstanden, dass er ein Schlepper ist! Nein, du Idiot, du leitest ein seriöses Militärschiff und verstehst die einfachste Sache nicht: Er hat von Anfang an gewusst, dass er ein Schlepper ist! Dass er manövrierfähig, standfest ist, einen kleinen Tiefgang hat, und eine Leistungsbelastung doppelt so hoch wie du. Darum, sobald die verdummten Idioten sich endgültig zu blamieren beschlossen haben und versuchten, den Schlepper von zwei Seiten einzukreisen, startete er den Rückwärtsgang, und die zwei Scheunen flogen an ihm vorbei und bohrten sich in einander. Schade, dass es keine Aufnahme von diesem Moment gibt. Höchstwahrscheinlich meldete diese Vogelscheuche bei ihrer Rücksprache mit der Küste, dass der Ukrainer wahrscheinlich verstanden hat, dass er nicht nur in Kurssteuerung manövrierfähig ist, sondern auch in seiner Geschwindigkeit. Und dass er einen Rückwärtsgang hat.
Nachdem sie diese ganze Performance geliefert hatten, konnten diese Clowns die Ukrainer natürlich nicht mehr freilassen. Denn angestellt haben sie mehr als genug, und die einzige Möglichkeit, keine Verantwortung dafür zu tragen, bestand darin, auch das höhere Kommando in diese Sache hineinzuziehen. Denn dieses ist ja genauso stur und mag keinen Rückwärtsgang unter keinen Umständen, darum mussten die Ukrainer um jeden Preis gefangengenommen werden. Dann wird man wenigstens selber nicht eingebuchtet, für die ganze Schande und die zwei kaputten Militärschiffe.
So sieht die Geschichte aus für mich. Und Ihr alle: „Putin, Poroschenko, Ratings, mehrzügige Schachkomposition!“ Jaja, dieselben mehrzügigen Schachkompositionen, wie mit dem Start von krummen Raketen. Absolute Unprofessionalität und Feigheit ist der Hauptgrund für all unser Unheil. Überall. Ob am Festland, oder auf See, oder im Kosmos.“
Anmerkung: Der Autor meint dieses Loch im russischen Küstenschiff „Isumrud“ – dieses Schiff hatte die ukrainischen Schiffe nicht gerammt, diese Durchbruchstelle konnte nur durch einen Zusammenstoß mit dem russischen Schiff „Don“ entstehen, das den ukrainischen Schlepper zu rammen versuchte.
Neun Stunden lang dauerte diese Konfrontation auf See (das zu den Ausrufen, die Ukrainer hätten sich ohne Kampf ergeben). Ich bin kein Freund von Verschwörungstheorien – so wie wir die Russen und ihre Schlampigkeit kennen, scheint die Erklärung dieses unbekannten Seemanns für mich die plausibelste zu sein.
Und was die Behauptung angeht, die Ukraine hätte Russland „provoziert“ (was ohnehin nicht den Tatsachen entspricht, siehe oben die Informationen über die Verträge), so hat Andrii Klymenko, Chefredakteur der Onlineausgabe BlackSeaNews mit einer einfachen Statistik darauf geantwortet: In der Zeit zwischen dem 17.05.2018 und dem 30.11.2018 einschließlich (am 17. Mai begannen die Konfrontationen am See) wurden 741 Fälle der Erschaffung von künstlichen Hindernissen für die Schifffahrt durch die staatlichen Behörden Russlands registriert, darunter 631 unter Ausnutzung der Territorien und Möglichkeiten der besetzten ukrainischen Halbinsel Krim (Die Straße von Kertsch wird von den Russen ohnehin wie eine Kriegsbeute betrachtet).
Diese Zahl (741) setzt sich wie folgt zusammen:
-110 Schiffe wurden während ihrer Durchfahrt über das Asowsche Meer nach/aus Mariupol/Berdjansk angehalten (Nr. 2 auf der Karte);
-323 Mal wurden die Schiffe in der Straße von Kertsch unmittelbar vor dem Asowschen Meer angehalten (Nr.1);
-308 Mal wurde die Durchfahrt ukrainischer Schiffe auf ihrem Rückweg von Mariupol/Berdjansk auf einem Ankerplatz im Asowschen Meer vor der Straße von Kertsch für längere Zeit behindert“.
Es ist klar, dass es bei 741 Fällen eines Tages zu einer offenen Aggression seitens Russland kommen musste…
Jetzt zum anderen (wievielten?) Verbrechen, das Russland gleich am selben Tag beging: Entgegen allen internationalen Rechtsnormen hat Russland die Besatzungen der ukrainischen Boote zunächst nach Kertsch verschleppt und veranstaltete am nächsten Tag eine Gerichtsshow in Simferopol (Was an sich schon diabolisch ist: Die halbe Welt überredete Russland jahrelang, Oleh Senzow freizulassen – stattdessen nahm sich Russland weitere ukrainische Geiseln und veranstaltete eine „Gerichtsverhandlung“ gegen seine Landsleute in dessen eigener Geburtsstadt Simferopol. Das erinnert doch sehr an den Mord an Politkowskaja am Geburtstag von Putin – der kremlische Führer steht auf solche „Zufälle“).
Übrigens, woran ich mich dieser Tage erinnert habe: 2014 hatte der ukrainische SBU zehn russische Militärangehörige aus dem 331. Regiment der 98. Swirskaja-Division der russischen Streitkräfte gefangengenommen. Sie gaben damals zu, dass das russische Verteidigungsministerium sie in die Ukraine entsendet hatte, und der Kreml behauptete aber, dass sie sich „verlaufen“ und die Grenze „zufällig“ überquert hätten. Damals hat die Ukraine sie alle ohne eine Ausnahme freigelassen und an Russland übergeben. Alle sind gesund und lebendig…
Wir berufen uns immer auf das Recht. Zu Kriegsgefangenen (und nichts anderes sind die ukrainischen Marinesoldaten, die in ukrainischer Uniform, unter ukrainischer Flagge und mit ukrainischen Abzeichen von den Soldaten eines anderen Staates in internationalen Gewässern festgenommen wurden), sagt uns die Genfer Konvention Folgendes: „Ein Kriegsgefangener darf nur vor ein Militärgericht gestellt werden, es sei denn, dass die Gesetze des Gewahrsamsstaates ausdrücklich Zivilgerichte zur Aburteilung eines Angehörigen der bewaffneten Kräfte des Gewahrsamsstaates als zuständig erklären, der für die gleiche strafbare Handlung wie die von einem Kriegsgefangenen begangene verfolgt wird.
Auf keinen Fall darf ein Kriegsgefangener vor ein Gericht gestellt werden, das nicht die allgemein anerkannten wesentlichen Garantien der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit bietet und dessen Verfahren ihm im besonderen nicht die in Artikel 105 vorgesehenen Rechte und Mittel der Verteidigung zusichert“.
Eine Erklärung, warum ein ziviles Gericht in Simferopol über Kriegsgefangene urteilt, gab uns Russland nicht – stattdessen ließ es drei ukrainische Marines schon mal für zwei Monate inhaftieren. Laut derselben Genfer Konvention dürfen Kriegsgefangene auch gar nicht isoliert werden – Russland lässt aber niemanden zu ihnen durch. Man verliert sich bei diesem Fall regelrecht in den ganzen Rechtsverstößen, die Russland mit einem Schlag begangen hat.
Dann kam es aber noch besser: Russland hat nun die ukrainischen Marinesoldaten nach Moskau verfrachtet, ins berüchtigte Gefängnis für Kriegsverbrecher „Lefortowo“. Mehr noch, wie gestern bekannt wurde, hat Russland sie gezwungen, ihre Militäruniform auszuziehen, und argumentierte damit, dass „in Lefortowo keine ausländischen Uniformen getragen werden dürfen“. Es hat aber eher den Anschein, dass Russland versucht, den Ukrainern den Status von Kriegsgefangenen zu verweigern.
Das ist zu der Frage, wieviel Wert die westlichen Erklärungen der „Besorgnis“, internationale Rechtsnormen oder irgendwelche Verträge für Russland haben (siehe Bismarck).
Nun ist die Frage der Krim wieder auf dem Tisch. Russland kann noch so viel erzählen, dass die Krim ihm gehöre – niemand hat diese heimtückische Annexion je anerkannt. Im Grunde müssen Großbritannien und die USA ihren Verpflichtungen im Budapester Abkommen nachgehen und der Ukraine zur Hilfe kommen. Darunter auch mit Militärschiffen, um die russische Willkür im Schwarzen Meer zu stoppen. Zurzeit stehen Dutzende Schiffe sowohl im Asowschen als auch im Schwarzen Meer, denen Russland die Durchfahrt weder in die eine noch in die andere Richtung gewährt.
Immer lauter werden auch die Stimmen, dass die Ukraine jedes Recht hat, neue Atomwaffen zu bauen: Die Ukraine, die das größte Atomwaffenpotenzial in der UdSSR besaß, hat alle Möglichkeiten zu ihrer Produktion. Wenn die Garanten des Budapester Abkommens seit fast fünf Jahren ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und Russland dabei schon zu offenen Angriffen auf See übergeht, ist die Ukraine wohl auch nicht mehr verpflichtet, diesem Stück Papier Beachtung zu schenken. Womöglich ist es sogar die einzige Lösung, Russland zu stoppen. Denn ich bin mir sicher: Hätte die Ukraine noch immer Atomwaffen, hätte Russland sich niemals getraut, sie zu überfallen. Des Weiteren muss man die Panik, die unter Putin-Anhängern und sonstigen „friedliebenden“ Europäern wegen eines eventuell bevorstehenden Krieges ausgebrochen ist, unterbinden, denn es gibt genug Möglichkeiten, Russland auf andere Art und Weisen zu stoppen: ein Abschalten vom SWIFT-System, ein Stopp des NordStream-II-Projekts, eine Ausweisung von russischen Oligarchen-Kindern aus den USA, Großbritannien und Europa – es gibt so viele Möglichkeiten, die aber nicht aufgegriffen werden, denn „Putin kann uns ja angreifen“.
Putin, liebe Leute, greift den Westen seit Jahren an, dieser Krieg findet für ihn seit Jahren statt. Und die Tatsache, dass der Westen noch immer so zahnlos darauf reagiert, erlaubt ihm, immer weiter vorzudringen, immer weitere Gesetze, Rechtsnormen, Abkommen und Regelungen zu brechen.
Und was das ausgerufene Kriegsrecht angeht und die Panik, die drumherum ausgebrochen ist, so habe ich meine Einstellung dazu auf Facebook geäußert: Wie es scheint, haben Menschen, die sowieso seit fünf Jahren auf die eine oder andere Art und Weise im Krieg sind, keine Probleme damit. Dafür aber solche, die diesen Krieg all die Zeit für sich ausgeblendet haben…
Ein anderes wichtiges Thema für mich ist die Unterstützung der eigenen Streitkräfte im Land.
Die Russen versuchen schon seit Jahren den Begriff „Freiwillige“ zu diskreditieren und geben ihre regulären Abteilungen, Speznas GRU, FSB-Mitarbeiter und sonstige Truppen als „Freiwillige“ aus. In Wirklichkeit gibt es Freiwillige nur in der Ukraine: 2014 hatte die Ukraine nichts, um sich dem heimtückischen Überfall Russlands zu widersetzen, außer dem eigenen Volk. Dank der Selbstorganisation der Bevölkerung, ihrer Hunderttausenden von Freiwilligen, die in den Osten des Landes gegangen waren, um ihr Land vor dem russischen Monster zu verteidigen, und der anderen Hunderttausenden Freiwilligen, die begannen alles für die Front abzugeben, konnte die Ukraine standhalten. Dasselbe beobachten wir auch bei russischen vs. ukrainischen Gefangenen: Während die Russen sich stets von ihren Militärs lossagen, die nicht mal irgendwelche Abzeichen tragen, stürzen sich die Ukrainer jedes Mal zur Hilfe für ihre entführten Landsleute. Der krimtatarische Journalist Osman Paschajew hat letzten Montag auf seiner FB-Seite dazu aufgerufen, Geld für die gefangengenommenen ukrainischen Marines (sie hatten überhaupt nichts, außer ihren Uniformen) zu sammeln: Nicht nur, dass die Ukrainer innerhalb von 24 Stunden über 424.000 Hrywnja gesammelt haben – wie Osman sagte, stammte das meiste Geld auch noch aus der Krim, von den ukrainischen Patrioten, die seit über vier Jahren unter russischer Besatzung leben müssen. Man sagt, dies könnte auch ein Grund dafür sein, warum Russland die ukrainischen Marinesoldaten nach Moskau gebracht hat – um Volksaufstände auf der Krim zu verhindern, denn schon zur ersten „Verhandlung“ in Simferopol sind Dutzende Unterstützer zum Gerichtsgebäude gekommen, hauptsächlich die Krimtataren. Auf allen Ebenen, ob staatlich oder bürgerlich, wird um unsere Jungs gefiebert und gesorgt, die Situation wird von ganzem Volk aufmerksam beobachtet.
Und das ist im Grunde alles, was man über diesen Krieg wissen muss, um zu verstehen, auf wessen Seite die Wahrheit ist und wer sich hier tatsächlich verteidigt.
WIR WOLLEN UNSERE JUNGS ZURÜCK!
P.S. Und da das Thema der Krim wieder auf dem Tisch ist (was wir am Interesse an unseren Artikeln zur Krim feststellen und was mich persönlich als eine Nachfahrerin der Krim-Deutschen und Krim-Bulgaren unendlich freut), geben wir Ihnen noch ein paar Links zum Thema, um den üblichen Kremlpropagandaopfern mit ihrem „Referendum“, „Recht auf Selbstbestimmung“, „Die Krim war schon immer russisch“, „Volksentscheid“ usw. schnell und bequem Paroli zu bieten.
- Zum üblichen Kremlpropagandaprodukt namens „Referendum“: „Die Krim ist Unser!“;
- Zur Rechtslage der Krim: „Zur Rechtslage der Autonomen Republik Krim“;
- Zur Geschichte der Krim: „KrimUnser!“, oder noch einmal über die historische Gerechtigkeit“;
- Ein zusammenfassender Artikel mit vielen Links: „Die Krim, ihre Geschichte und falsche Behauptungen der deutschen Politiker“.
Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst; korrigiert von Klaus H. Walter.
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3 Responses to “Zum russischen Angriff auf See: Wir fordern die Freilassung der ukrainischen Kriegsgefangenen!”
16/01/2019
Of orcs and men: Über die gestrige "Gerichtsverhandlung" gegen die ukrainischen Marinesoldaten in Moskau - InformNapalm (Deutsch)[…] Über den Verlauf dieser Festnahme, die neun Stunden lang andauerte, und deren anschließendes teuflisches Ende, das die Ukraine dazu brachte, das Kriegsrecht auszurufen, lesen Sie bitte ausführlich in meinem Artikel vom 3. Dezember 2018 „Zum russischen Angriff auf See: Wir fordern die Freilassung der ukrainischen Kriegsgefangenen!„. […]
02/09/2019
Unabhängigkeitstag der Ukraine: Einige Überlegungen zum Marsch der Verteidiger - InformNapalm (Deutsch)[…] Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst. […]
16/10/2019
"Nein zur Kapitulation!" - das ukrainische Volk sagte sein Wort am Tag des Verteidigers der Ukraine - InformNapalm (Deutsch)[…] Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst. […]