Dank russischen regionalen Medien wurde der Name eines weiteren in Syrien gefallenen russischen Militärangehörigen bekannt. Die Information erschien auf einer Kasan-Webseite, erweckte aber kein Interesse landesweiter Medien und blieb deswegen eine Lokalnachricht der Republik Tatarstan. Der neue im Krieg in Syrien gefallene russische Militärangehörige ist der Artillerie-Hauptmann Marat Achmetschin, geb. am 27.06.1980. Anhand der Presseinformationen kann man den Kriegswerdegang des Hauptmanns Achmetschin rekonstruieren:
- 2002 – Abschluss bei der Filiale der Militäruniversität für Artillerie in Kasan
- 06.2002-06.2003 – Hauptmann eines Panzerhaubitzenzuges der 58. Armee des Nordkaukasischen Militärbezirks
- 06.2003-12.2006 – Hauptmann einer Panzerhaubitzenkompanie der 58. Armee des Nordkaukasischen Militärbezirks
- 12.2006-07.2009 – Assistent des Truppenführers eines Panzerhaubitzenbataillons der 58. Armee des Nordkaukasischen Militärbezirks. Nahm mehrmals an Kriegshandlungen gegen Georgien teil.
- 07.2009-06.2010 – Hauptmann einer Haubitzenbatterie in Gjumri, Republik Armenien
- 06.2010-12.2015 – Pensionierung vom Militärdienst, Reserveoffizier.
- 12.2015-06.2016 – Aufklärungsleiter beim Stab der Panzerhaubitzendivision des Westlichen Militärbezirks.
Dank einem Interview mit seiner Ehefrau Gusel Achmetschina konnten wir Einzelheiten zu Achmetschins Dienst und Tod in Syrien herausfinden:
Marat ging im April (nach Syrien – Anm.d.Red.)… Wir wussten, wo er ist, und haben uns große Sorgen gemacht. Es wurde ihnen verboten, ein Telefon zu benutzen, aber nach einiger Zeit trat er mit uns in Kontakt. „Ist es gefährlich dort?“, fragte ich und er: „Nein, es geht“. Am 1. Juni sprachen wir zum letzten Mal. Er musste mich am 3. Juni wieder anrufen. Hat er aber nicht…
Nach Angaben seiner Ehefrau ist Marat Achmetschin am 5. Juni 2016 bei Palmyra gefallen.
Anmerkung: Es ist interessant, dass Achmetschin noch im Juni-Juli 2016 mit einem Heldenstern unter der Nummer 1062 geehrt wurde, obwohl nach Wikipedia-Angaben zum November 2016 nur 1040 bekannte Helden ermittelt werden konnten. Weitere 20+ „Helden“ sind noch unbekannt.
Am 23.06.2016 wurde Marat Achmetschin der Titel des Helden Russlands verliehen. In der Regel verschweigt die russische Seite keine Namen der Helden und versucht, jeden neuen „Helden“ für eigene Propagandazwecke auszunutzen. Die Dokumente zur Verleihung des Titels des Helden Russlands gelangen auf die offizielle Webseite des russischen Präsidenten, und landesweite Kanäle drehen darüber pathetische Berichte.
Über jeden in Syrien gefallenen Helden wurde in landesweiten Medien berichtet:
- Der abgeschossene Pilot Peschkow wurde zum ersten „syrischen“ Helden. Den „Kampf“-Stern des Helden bekam der SEK-Leiter Oberst Wadim Bajkulow, dessen Mitarbeiter nach Aussage des russischen Generalstabs für „zusätzliche Aufklärung“ eingesetzt wurden;
- Der Heldenstern ging auch an Stabsoffizieren nicht vorbei – seinen Heldentitel bekam auch der Leiter russischer Streitkräfte in Syrien Generaloberst Dwornikow;
- Der Pilot Mayor Djatschenko bekam den Heldenstern für seinen Heldenmut im Krieg in Syrien;
- Der Oberleutnant der SEK Prochorenko bekam den Heldenstern posthum für den Kampf bei Palmyra;
- Noch einen Heldenstern bekam der Teilnehmer der Operation in Syrien, Navigationsoffizier und Testpilot (möglicherweise nicht nur für den syrischen Krieg);
- Der Armeegeneral Bulgakow bekam den Heldenstern für die Versorgung der Streitkräfte im Krieg in Syrien;
- Für die erfolgreiche Durchführung der ersten Etappe des Krieges in Syrien bekam einen Heldenstern der Armeegeneral Gerassimow;
- Der bei Palmyra abgeschossene Pilot Chabibulin bekam einen Heldenstern posthum
- Generalleutnant Schurawljow bekam einen Heldenstern für die Anführung russischer Streitkräfte in Syrien.
Unter dem Strich wurden immer entweder abgeschossene Piloten (4 „Sterne“), heldenhafte Stabsoffiziere (4 „Sterne“) oder Mitarbeiter der SEK (2 „Sterne“) zu Helden erklärt. Der letzte bekannte Held war der in der Türkei ermordete Botschafter Russlands Andrej Karlow, dessen Tod man auch an die „syrische Front“ zuweist.
Wir möchten anmerken, dass alle ausgezeichneten Militärangehörigen zu Truppengattungen angehörten, die nach offiziellen russischen Angaben in Syrien kämpfen. Wie ein Hauptmann der Artillerie in Syrien zum Helden geworden ist, ist aber eine gute Frage. Allein die Tatsache, dass einem Vertreter der Front-Landstreitkräfte die höchste Auszeichnung verliehen wurde, bestätigt die Teilnahme russischer Armee an einer Bodenoperation in Syrien. Jedoch versucht man diese Tatsache von russischen Philistern zu verheimlichen, deswegen kann man unter den hochgepriesenen Helden des syrischen Krieges keinen Artilleristen aus der Provinz finden. Nicht alle Helden Russlands sind für die russische Propaganda gleichermaßen nützlich.
Am 12. September wurde in der Gedenkanlage in Prochladny eine Gedenkstätte der Krieger eröffnet. Auf der zentralen Marmorplatte sind 88 Namen der gefallenen im tschetschenischen Feldzug und 28 Namen der gefallenen in Zchinwali eingraviert. In diese Liste wurden auch der in Syrien gefallene Marat Achmetschin und der in der Krim gefallene Gefreiter der Garde Semjon Sytschew aus Primalkinskoje miteingeschlossen.
Achmetschins älteste Tochter wurde in eine Kadettenschule in Moskau aufgenommen, zwei weitere Kinder werden an der Suworow Militärschule erwartet. Am 10. Dezember fand in der Kasaner Schule ein Gedenkabend statt, während dessen Verwandte und ehemalige Kollegenschaft Achmetschins über sein Leben erzählten.
Die Schulvertreter haben einen sagenhaften Film über den Gedenktag in seiner Schule in den besten Traditionen sowjetischer Matineen veröffentlicht (nur für Menschen mit starker Psyche geeignet):
Laut der Aussage seiner Frau hat Marat Achmetschin seinen Dienst in 2015 bei einer der Militäreinheiten aus Nischni Nowgorod wiederaufgenommen. Ausgehend von der Kampferfahrung des Hauptmanns kann man annehmen, dass es sich um die 288. Artilleriebrigade handelt (Einheit 30683 in Mulino).
Im März 2016 wurde bei Palmyra die Anwesenheit der 120. selbstständigen Artilleriebrigade aus Jurga von InformNapalm registriert. In 2015 entdeckten wir auch Militärangehörige der 291. selbstständigen Artilleriebrigade in Syrien.
Manche hatten Glück, ein heldenhafter General oder Pilot zu werden, die von offiziellen propagandistischen Kanälen auf Schritt und Tritt verfolgt werden. Jedoch ist es eine ganz andere Sache, wenn es sich um einen Held des offiziell nicht existierenden Bodenkrieges handelt. Nachrichten über solche Heldentaten bleiben auf dem Niveau regionaler Medien und Gedenkmatineen in den Schulen der Helden.
Dieses Material wurde von Victory Krm und Anton Pawluschko exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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2 Responses to “Ein Geheimheld: Wie die Vertreter der russischen Bodentruppen in Syrien von der Kremlpropaganda „vergessen“ werden”
21/02/2017
Donbass, Syrien, Medaillen und Trauer: Wo sterben russische Artilleristen - InformNapalm.org (Deutsch)[…] seiner Militärangehörigen normalerweise sehr ungern an. Erst kürzlich hat InformNapalm einen ganzen Helden Russlands für russische Medien gefunden, den Kapitän-Artilleristen, der in Syrien gestorben war, über den komischerweise aber selbst […]
02/06/2017
Verluste der russischen Streitkräfte: Russische Offiziere in Syrien - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Presse ist uns bei der Aufdeckung von gefallenen russischen Militärangehörigen in Syrien stets behilflich, aber diese sind meistens eines niedrigeren Ranges oder sind Mitarbeiter eines privaten […]