InformNapalm verfolgt weiterhin das Schicksal der ukrainischen Bohranlagen, die von russischen Soldaten im Schwarzen Meer eingenommen wurden. Wir möchten daran erinnern, dass InformNapalm im September 2015 über diese feindliche Übernahme Russlands berichtet hatte, und zwar über die illegale bewaffnete Einnahme von zwei Bohranlagen, die unter dem Namen „Boiko-Bohrtürme“ bekannt sind. Es wurde festgestellt, dass sich Militärangehörige des 104. Luftlanderegiments der 76. Division der Luftlandetruppen Russlands an dieser Einnahme beteiligt hatten. Fünf Monate nach dieser Publikation ist es uns gelungen, einige Einzelheiten zur Verlagerung dieser Bohranlagen zu präzisieren wie auch russische Einheiten zu ermitteln, die die Bewachung dieser Objekte zurzeit gewährleisten.
Nach Informationen des Grenzdienstes der Ukraine vom 15. Dezember 2015 wurde mit Kräften der Schiffs- und Boote-Gruppierung des Küstenschutzes unter Verwendung von Radaranlagen ein Monitoring der Überwasserlage im Küstenmeer und in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Ukraine durchgeführt. „Im Ergebnis dieser Maßnahmen wurde festgestellt, dass zwei Bohranlagen, „Pjotr Godowanez“ und „Ukraine“, aus der Zone des Odessa-Erdgasfeldes näher an die Halbinsel Krim (die genaue Lage wird noch ermittelt) verlagert worden sind. An der Stelle, wo sich früher diese Bohranlagen befanden, richtet Russland nun eine von der Krim verlagerte Ölplattform „Tawrida“(Koordinaten B-45º12′, L-30º59′) ein, die letztes Jahr ebenfalls illegal eingenommen wurde,“ steht in der Mitteilung der Grenzdienstbehörde.
Auf der Karte kann man die angegebenen Koordinaten und den Abstand zur Küstenlinie vom Gebiet Odessa (100 Km) und der Krim (120 Km) sehen. Das Odessa-Erdgasfeld selbst befindet sich dabei auf dem Schelf 150 Kilometer westlich von der Krim und 130 Kilometer südlich von Odessa. Die Vorräte werden auf 22 Milliarden Kubikmeter Gas geschätzt.
Die Zugehörigkeit dieses Erdölfeldes zur wirtschaftlichen Zone der Ukraine wird auch durch die Normen des internationalen Seerechts bestätigt. Entsprechend dem Seerechtsübereinkommen ist die ausschließliche Wirtschaftszone eine Region, die sich hinter den Grenzen des Küstenmeers befindet und seine Anschlusszone darstellt – sie fällt unter die Wirkung einer besonderen Rechtsordnung. Ihre Breite darf 20 Seemeilen (370,4 Kilometer) nicht überschreiten, die von der Küstenlinie gerechnet werden. Auf der Karte der nicht zu Stande gekommenen Pipeline Türkish Stream sieht man die Aufteilung der Wirtschaftszonen.
„Tschernomorneftegas“ bestätigte seinerseits ebenfalls, dass zwei neue Bohranlagen des Odessa-Erdgasfelds verlagert worden sind. Russische Medien berichteten, dass die Operation „nach einer Anweisung des Republikoberhaupts Sergei Aksenow in kürzester Zeit durchgeführt wurde“ und „mit der schwierigen internationalen Lage und dem Risiko des Verlusts von lebenswichtigen Aktiva im Zusammenhang steht“. Die Bohranlagen wurden unter einem Konvoi von FSB-Booten und eines Raketenschnellboots der Schwarzmeerflotte verlagert.
Was können wir zum jetzigen Zeitpunkt vermerken?
Die Bohrtürme „Pjotr Godowanez“ und „Ukraine“ befinden sich weiterhin unter der Bewachung von Militärangehörigen der russischen Streitkräfte, die sogar die Silvesternacht auf See verbracht haben. Das belegen Angaben und Fotos in den sozialen Netzwerkprofilen einer Reihe von Militärangehörigen:
Einige Einzelheiten bezüglich der Bohranlagen wurden dank dem Profil des Militärangehörigen des 25. selbstständigen Speznas-Regiments der GRU namens Alexander Alimow (Archiv: Profil, Fotoalbum, Kontakte) aufgedeckt.
Am 15. Dezember 2015, am Tag der sogenannten Operation zur Verlagerung von Bohranlagen, befand sich Alexander Alimow auf einem der Bohrtürme, was seine Fotos belegen. Rundherum wird visuelle Beobachtung der Wasserfläche geführt.
Über Alimow kann man sagen, dass vom Juni 2013 bis Juni 2014 er bei den Strategischen Raketentruppen in Snamensk diente. Im Dezember 2014 unterzeichnete er einen Vertrag zum Dienst im 25. Speznas-Regiment der GRU, das in Stawropol stationiert ist.
Im Herbst 2015 wurde Alexander Alimow auf die Krim abkommandiert. Die Zugehörigkeit von Alimow zum 25. Speznas-Regiment der GRU wurde durch die Analyse seiner Kontakte festgestellt und bestätigt.
Ein Gehilfe Alimows war sein Dienstkollege aus Stawropol, der sich unter dem Pseudonym Ratibor Silytsch versteckt, und dessen Freundeskreis seine Zugehörigkeit zum 25. Speznas-Regiment GRU bestätigt (Archiv: Profil, Fotoalbum, Kontakte).
Auch haben wir festgestellt, dass außer den GRU-Soldaten eine Abteilung der 810. Marineinfanteriebrigade der Schwarzmeerflotte die Bewachung der Bohrtürme gewährleistete. Diese Information wird durch die Fotos im Profil des Marineinfanteristen Danila Morgunow (Archiv: Profil, Album, Kontakte) bestätigt.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Verteidigungsministerium Russlands den Marineinfanteristen erlaubt, eine unvorschriftsmäßige Uniform im Multucam-Muster zu tragen, ohne jegliche Chevrone und Identifikationszeichen, was aber im Grunde sehr russisch und piratenhaft ist.
Wir möchten anmerken, dass zum Sachverhalt der verbrecherischen Einnahme von ukrainischen staatlichen Bohranlagen von der Hauptuntersuchungsverwaltung der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine vorgerichtliche Ermittlungen im Rahmen des Strafverfahrens Nr.12014000000000164 vom 01.04.2014 eingeleitet wurden. Aufgrund eines Antrags des leitenden Ermittlungsbeamten wurde durch Gerichtsbeschluss vom 23. Dezember 2015 die Beschlagnahme der Bohranlagen „Pjotr Godowanez“ (Baujahr 2010) und „Ukraine“ (Baujahr 2012) angeordnet.
Am interessantesten in diesem Gerichtsbeschluss ist die Tatsache, dass niemand weiß, wo sich die obengenannten Bohrtürme derzeit befinden und die Ermittlungsbehörden sich nur auf Medienberichte bezüglich ihrer Verlagerung beziehen können. Bald ist ein Monat seit der letzten Mitteilung des staatlichen Grenzschutzdienstes bezüglich der Feststellung der genauen Lage der Bohranlagen vergangen, Informationen zu ihren genauen Koordinaten gibt es aber noch immer nicht.
Den Auszügen des Gerichtsbeschlusses kann man Informationen zum Wert dieser Aktiva und der Summe des Schadens infolge der Überhöhung vom Vereinbarungspreis des Einkaufs entnehmen. Die Mitarbeiter des Erdöl- und Erdgasunternehmens „Naftogas Ukraine“ unterzeichneten am 18.03.2011 einen Vertrag mit der öffentlichen Aktiengesellschaft „Tschernomorneftegas“ über die Bereitstellung eines zinslosen Darlehens in Höhe von 3 203 000 000 (3 Milliarden 230 Millionen) Hrywnja für den Erwerb der ersten Bohranlage. Im Rahmen eines entsprechenden Vertrags vom 03.11.2011 und einer zusätzlichen Vereinbarung wurde ein zweites zinsloses Darlehen in Höhe von 3 880 000 000 (3 Milliarden 800 Millionen) zum Erwerb der zweiten Bohranlage gewährt. Nach Weiterveräußerungen beläuft sich die Summe des Erwerbs von Bohranlagen nun auf 400.344.000 bzw. 399.800.000 US-Dollar. Zum damaligen Zeitpunkt belief sich der Schaden durch Preiserhöhung auf über 400 000 000 US-Dollar.
Warum wurde denn die Beschlagnahme derartig kostspieliger Objekte erst jetzt angeordnet, wenn das Ermittlungsverfahren bereits im April 2014 eingeleitet wurde? Warum wird im Rahmen dieses Gerichtsverfahrens kein genauer Standort des ukrainischen Eigentums zum Zeitpunkt des Gerichtsbeschlusses angegeben? Wann wird eine Klage gegen Russland wegen illegaler bewaffneter feindlicher Übernahme von Staatseigentum der Ukraine auf der Krim eingereicht, und auch wegen des wirtschaftlichen Schadens infolge der Ausbeutung von ukrainischen Gas- und Ölfeldern?
Dieses Material wurde auf der Basis eigener OSINT-Untersuchung von Victory Krm exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
4 Responses to “Wohin brachte Russland die von ihm eingenommenen ukrainischen Bohranlagen?”
31/01/2016
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