
Im Ergebnis einer OSINT- und HUMINT-Untersuchung ist InformNapalm auf die Spur einer geheimen Fracht gekommen, die unter äußerst geheimnisvollen Umständen aus Syrien auf die Krim geliefert wurde. Mit der Entladung der Fracht waren russische Militärangehörige beauftragt und sie fand unter Bedingungen erhöhter Geheimhaltung statt.
Am 20. Oktober 2016 lief das Frachtschiff Nadalina unter der Flagge von Sierra Leone in den Hafen von Feodossija (Krim) ein. Das Schiff kam aus Tartus (Syrien), auf dem Weg machte es einen Zwischenstopp im rumänischen Hafen Nawodari.
Die Entladung des Schiffes begann erst nach über 24 Stunden nach seiner Ankunft an, in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober 2016, zwischen 22:00 und 02:00 Uhr, unter Bedingungen erhöhter Sicherheitsmaßnahmen mittels des Hafenkrans. Die Anlegestelle wurde von Schaulustigen geräumt und mit Polizeitrupps und Menschen in Zivil abgeriegelt. Die Beleuchtung wurde von der Anlegestelle weggedreht, weshalb der Prozeß der Entladung nicht zu sehen war. Der Scheinwerfer auf dem Schiff wurde nur beim Heben der Fracht angeschaltet und leuchtete nicht permanent, wie es bei einer Entladung normalerweise üblich ist.
Die entladene Fracht bestand aus Kisten in der Größe von nicht weniger als 0,5×3 Meter, die Kisten besaßen Schutzlackierung und sahen einer unbrennbaren Verpackung zur Aufbewahrung und Transport von Sondermitteln ähnlich. Im Netz haben wir Fotos von ähnlichen Kisten gefunden:
Auf dem Screenshot aus dem Video mit der Ankunft von Nadalina in Feodossija ist sehr gut der über dem Wasser gehobene Wulst zu sehen, was auf geringe Auslastung des Schiffs hindeutet:
Die Dauer der Entladung von einer Kiste betrug 25-30 Minuten. Insgesamt wurden 8-10 Kisten entladen. Die Kisten wurden langsam entladen, unter grossen Sicherheitsmassnahmen – die Verlader hatten offensichtlich Angst um ihr Leben im Falle der Beschädigung der Fracht.
Nach der nächtlichen Entladung stand das Schiff bis zum 25. Oktober im Hafen und lief dann weiter Richtung Kertsch. Am Morgen des 26. Oktober drehte es aber um und ging zurück nach Feodossija, wonach es sich auf den Rückweg machte, vermutlich Richtung Bosporus (Die Karte von diesem komischen Manöver bei marinetraffic).
Im Lauf von OSINT und HUMINT haben wir interessante Einzelheiten über den Besitzer des Schiffes Nadalina (IMO: 8215754) Hassan Johar und über seine Verbindungen mit der Offshorefirma Bia Shipping Co Ltd. (Marschall-Inseln, 2010) erfahren. Einzelheiten dazu stellen wir im zweiten Teil dieser Untersuchung bereit.
Die Auswahl von Nadalina zur Frachtbeförderung steht höchstwahrscheinlich mit den jüngsten Reparaturarbeiten in Nawodari im Zusammenhang. Somit gibt es indirekte Anzeichen für die Wichtigkeit dieser Fracht, bei deren Lieferung die technischen Risiken maximal nivelliert sein sollten.
Die Dauer der Verladung und die Sicherheitsmassnahmen dabei weisen auf eine erhöhte Gefährlichkeit der Fracht hin, sowie auf das Bestreben, das Faktum der Lieferung gänzlich geheim zu halten.
Die Analyse der Besonderheiten dieser Frachtlieferung lässt einige Fragen aufkommen, die gewisse Schlussfolgerungen nach sich ziehen:
- Die Lieferung erfolgte aus Tartus. Es besteht eine niedrige Wahrscheinlichkeit dessen, dass ein ziviles Schiff konventionelle Munition aus Syrien auf die annektierte Krim brachte. Solche Munition hätte man an die Assad Armee übergeben oder sie befände sich auf dem Territorium der russischen Militärbasis in Syrien. Daraus folgt, dass nur solche Munition/Komponente aus Syrien herausgebracht werden musste, die sich nicht auf seinem Territorium befinden sollte, deren Aufbewahrung nicht gewährleistet werden kann, die nicht verwendet werden kann und die dabei besondere Verwertungsbedingungen braucht, oder aber politische Bedeutung hat und Russland/Assad im Falle ihrer Aufdeckung in Syrien diskreditieren könnte. Wichtig dabei ist die kleine Menge der gelieferten Fracht (8-10 Kisten), die auf den hohen Wert ihres Inhalts hinweist.
- Die Fracht wurde nach Feodossija und nicht nach Sewastopol geliefert, was bei Lieferung von militärischer Fracht wesentlich logischer wäre. Die Auswahl des Verladungshafens wurde wohl von der weiteren Logistik der Frachtbeförderung bestimmt. Im Raum von Feodossija-Hafen befindet sich das Objekt „Feodossija-13“, das als der meist geeignete Ort für Aufbewahrung von Fracht erhöhter Gefährlichkeit gelten kann.
- Die Frachtlieferung erfolgte mittels einer angeheuerten Firma und nicht mittels Schiffe der Marine Russlands, die regelmässig nach Tartus und zurück verkehren. Die Auswahl einer Privatfirma kann nur durch den Versuch erklärt werden, die Verbindung der Fracht mit Russland geheimzuhalten, sowie das Risiko für die Besatzung eines Kriegsschiffs zu minimieren.
- Die Frachtlieferung wurde auf dem Seeweg verwirklicht und nicht per Luft, was wesentlich schneller und geheimer wäre. Die Auswahl eines Seewegs kann nur mit einem Risiko im Zusammenhang stehen, das die Fracht im Fall von technischen Problemen des Flugzeugs (inklusive Absturz, Bruchlandung) beinhaltet. Ferner, wenn das Lieferungsziel tatsächlich Feodossija gewesen ist, so hätte ein Flugzeug Aufmerksamkeit erweckt, da Flugzeuge nur in Belbek landen können und es zusätzliche Mühe gekostet hätte, die weitere Landbeförderung von gefährlicher Fracht nach Feodossija zu organisieren.
Die Analyse von Außenmaßen der verladenen Kisten lässt annehmen, dass darin Munition mit einem Kaliber von nicht weniger als 200 mm lag. Trotz der Abwesenheit von direkten Beweisen berechtigt die Analyse der Indizien auch zu der Annahme, dass der Inhalt dieser Fracht Munition/Komponenten für Massenvernichtungswaffen ist.
Auf dem Foto zum Artikel in New York Times von 2015 wurde eine größenähnliche Kiste abgebildet, die zur Aufbewahrung von irakischen Raketen (Borak-70) mit dem chemischen Gefechtskopf benutzt wurde.
Schlussfolgerungen:
Trotz der Abwesenheit von zuverlässigen Bestätigungen und basierend auf indirekten Indizien für die Lieferung von Munition/Komponenten zu Massenvernichtungswaffen aus Syrien, zeugt die Analyse der erhaltenen Information davon, dass:
- Das Sanktionsregime hinsichtlich der besetzten Krim regelmässig durch Schiffe verletzt wird, die einen Bezug zu Firmen von Hassan Johar haben.
- Es eine Verbindung zwischen den Firmen von Hassan Johar und dem Waffenschmuggel und Transport von illegalen Migranten aus Syrien und der Türkei nach Europa gibt.
- Es eine Verbindung zwischen Johars Firmen und den syrischen Geheimdiensten (oder auch Regierungsbehörden) und den Geheimdiensten Russlands besteht.
- Es Anzeichen für die Ausfuhr von Massenvernichtungswaffen aus Syrien auf die von den Russen besetzte Krim gibt.
Zum zweiten Teil der Untersuchung: „Geheime Fracht aus Syrien auf die Krim: Steueroasen und Waffenhandel. Teil 2“
Dieses Material wurde von Kateryna Jaresko, Dmitry K. und Anatolii Baronin exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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2 Responses to “Geheime Fracht aus Syrien auf die Krim: Was brachte die Nadalina? Teil 1”
29/10/2016
Geheime Fracht aus Syrien auf die Krim: Steueroasen und Waffenhandel. Teil 2 - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Im Laufe einer OSINT- und HUMINT-Untersuchung ist InformNapalm auf die Spur einer geheimen Fracht gekommen, die unter äußerst geheimnisvollen Umständen aus Syrien auf die Krim geliefert wurde. Mit der Entladung der Fracht waren russische Militärangehörige beauftragt und sie fand unter Bedingungen erhöhter Geheimhaltung statt. In diesem Teil geht es um Steueroasen und Geschäftsinteressen. Über die Art der Fracht und Schlussfolgerungen aus der Untersuchung können Sie im 1. Teil unseres Berichtes nachlesen: Geheime Fracht aus Syrien auf die Krim: Was brachte die Nadalina? Teil 1 […]
20/11/2016
Chemische Bedrohung in Aleppo und russische Inszenierungen zur Aufmerksamkeitsablenkung - InformNapalm.org (Deutsch)[…] kann man sich an der Stelle nicht an die geheime Fracht aus Syrien auf die Krim erinnern, die Ende Oktober im Hafen von Feodossija entladen worden war. Womöglich war die Annahme […]