Ein Zeitsoldat des Aufklärungsbataillons der 28. motorisierten Schützenbrigade russischer Streitkräfte kämpft im Donbass in der IBF (illegale bewaffnete Formation) „Pjatnaschka“.
Vorwort
In über zwei Jahren der Tätigkeit von InformNapalm wurden mehrere Dutzende russische Militäreinheiten, Gruppen von Militärangehörigen und einzelne Personen, die die russische Armee in den Kampfhandlungen in Donbass repräsentieren, aufgedeckt. Viele von denen fand man zum kritischsten Zeitpunkt – im Herbst 2014, als die russische Militärführung große Unterstützung herbei schuf, um die Situation in die für sich günstige Richtung zu verändern.
Nachdem die russische Seite mit ihren Beschüssen von russischen Territorium aus und der Einführung von Kampfgruppen auf das ukrainischen Territorium im Juli-August 2014 ordentlich aufgefallen war, war sie auf Druck der internationalen Weltgemeinschaft gezwungen, das erste Minsker Abkommen zu unterzeichnen.
Trotz des Verlusts der Möglichkeit einer offenen militärischen Invasion unter der Maske der „Friedensstifter“, hatte Russland jedoch schon ein ziemlich großes Stück Territorium von Donbass besetzt. Direkt danach begann die russische Militärführung ihre militärische Präsenz auf dem Territorium der Luhansker und Donezker Gebiete zu legalisieren – in Form der „DVR/LVR“-Armeekorps. Diese wurden nach einem gemischten Prinzip aufgestellt: es wurden offen einheimische „Rebellen“ und russische „Freiwillige“ angeheuert, dabei aber heimlich reguläre russische Militärangehörige, Offiziere und Zeitsoldaten (Unteroffiziere und Spezialisten) herangezogen, deren Aufgabe die Aufstellung, militärische Ausbilung und der Einsatz von illegalen bewaffneten Formationen (IBF) in den Kampfhandlungen gewesen war.
Beispielsweise sind im Bestand der „neurussischen“ IBFs folgende Gruppen und einzelne hinzukommandierte Militärangehörige Russlands festgehalten worden. Südlicher Militärbezirk: 19. selbstständige motorisierte Schützenbrigade (Wladikawkas, Nordossetien), 18. SMSBr (Kalinowskaja, Tschetschenien), 136. SMSBr (Bujnaksk, Dagestan), Militärbasis Nr. 7: 1 und 2 (Gudauta, okkupiertes Abchasien, Georgien), 205. SMSBr (Budjonowsk, Gebiet Stawropol), 8. Gebirgsbrigade (Borsoj, Tschetschenien), 291. Artilleriebrigade (Troizkaja, Inguschetien). Zentraler Militärbezirk: 74. SMSBr (Jurga, Gebiet Kemerowo), 23. SMSBr (Samara), 15. „Friedensstifter“-SMSBr (Roschtschinski-Garnison, Gebiet Samara), 21. SMSBr (Orenburg), 31. Luftlandebrigade (Uljanowsk). Zusätzlich wurden Rosgarde-Einheiten der Innentruppen des russischen Innenministeriums und anderen Rechtsschutz- und Sicherheitsbehörden Russlands eingesetzt.
Die den illegalen bewaffneten Formationen (IBF) zugeordneten Militärangehörigen der 28. SMSBr aus Jekaterinburg sind in dieser Liste nicht angeführt, obwohl dieser Truppenverband bereits mehrmals in unser Blickfeld im anderen Kontext geriet. Es wird Zeit, die Anwesenheit der Militärangehörigen dieser Brigade im Bestand der illegalen „Neurussland“-Formationen bekanntzumachen.
Seit August 2015 gibt es in der Datenbank von „Myrotworez“ einen gewissen Michail Chworostjanow, der als „russischer Söldner, Kämpfer von IBF „Pjatnaschka“ (damit hat er sogar auf seiner Seite angegeben) klassifiziert wurde. Trotz der großen Anzahl von nützlichen Daten zu dieser Person, gibt es in dem Eintrag keinen einzigen Hinweis auf seine Verbindung zu den offiziellen Strukturen Russlands. Im Lauf der OSINT-Untersuchung ist es uns gelungen, die Informationen über Chworostjanow etwas zu vervollständigen und, was am wichtigsten ist, seine Zugehörigkeit zu den russischen regulären Streitkräften zu beweisen.
Untersuchungsobjekt
Chworostjanow Michail Michajlowitsch. Ein Unterfeldwebel und Zeitsoldat der 28. selbstständigen motorisierten Schützen- und Aufklärungsbrigade der russischen Streitkräfte. Spitzname „Jugra“. Geboren am 19.08.1989 in der Stadt Surgut, autonomes Gebiet Chanty-Mansijsk, Russische Föderation. Profile in den sozialen Netzwerken: „VK“ (archiviertes Profil, Fotoalbum, Kontakte), Instagram, Facebook. Skype: Mihailka186.
Nach Ergebnissen der Untersuchung seines Fotoalbums ist Folgendes festgestellt worden:
Der Wehrdienst und der Zeitdienst
Michail Chworostjanow wurde Ende 2012 zum Wehrdienst einberufen. Nach mehreren Monaten Dienst in der 28. SMSBr wurde er auf die 201. Militärbasis in Tadschikistan abkommandiert, wo er noch als Wehrdienstleistender vor seiner Demobilisierung einen Dreijahresvertrag mit dem Verteidigungsministerium RF unterzeichnet hatte.
Anmerkung: Die 201. Militärbasis setzt sich aus Personal des Zentralen Militärbezirks RF zusammen. Die Soldaten und Unterfeldwebel im Zeitdienst werden nach 4-5 Monaten, die sie in den Einheiten des Zentralen Militärbezirks verbringen oder auch direkt nach ihrer Ausbildung nach Tadschikistan abkommandiert. Ähnlich sieht es in der 102. russischen Militärbasis in Armenien aus, wohin die Wehrdienstleistenden aus dem Südlichen Militärbezirk sowie die Absolventen von Ausbildungszentren aus unterschiedlichen Regionen Russlands abkommandiert werden. Etwa ein Monat später werden die Wehrdienstleistenden zurück in ihre Einheiten geschickt, wo sie ihren Dienst bis zur Demobilisierung ableisten.
Während seines Aufenthalts in Tadschikistan, bereits im Status eines Zeitsoldaten, prahlte Chworostjanow mit dem Chevron der „höflichen Menschen“, den ihm seine Dienstkameraden geschenkt hatten, die aus einer „ukrainischen Dienstreise“ zurückgekehrt waren. Offensichtlich spielten die russische Propaganda, psychologische „Bearbeitung“ durch Politbeauftragten und Erzählungen der aus Donbass zurückgekehrten Kollegen, sowie der Wunsch den dreifachen Lohn zu bekommen, dabei eine wichtige Rolle.
Dienstreise in die „DVR“
In den Donbass kam Michail Chworostjanow am 12 Juni 2015 an. Nach einem kurzen Aufenthalt in „Pjatnaschka“ auf der Militärbasis in Donezk wurde er in die Kriegszone nahe Marjinka geschickt. Man kann sehr viel Interessantes aus der Korrespondenz von Chworostjanow mit seinen Freunden bei Instagram erfahren: z. B. dass er auf eigenen Wunsch hin im Donbass gewesen ist und dass für die „Ukropen“(abwertende russische Bezeichnung für ukrainische Soldaten) die „Tschechen“ (russ. Bez. für Tschetschenen) und „Georgier“ kämpfen, die sogar auf reguläre (russische) Militäreinheiten schießen.
viktorius__86 Micha, bist Du selbst hingefahren oder freiwillig-obligatorisch?
olympic.boy@viktorius__86 Freiwillig natürlich
olympic.boy@artur_0086 Bruder, dort sind Tschechen und Georgier
tsarenkov@olympic.boy Kämpfen die Georgier und Tschechen für die Ukropen?
olympic.boy@tsarenkov Ja, Wanja, sie schießen sogar auf die Regulären, die abziehen wollen.
Die Verwundung
Die Donbass-Karriere von Chworostjanow dauerte nicht lange – ein Monat nach der Einreise, am 19 Juli 2015, wurde er nahe Marjinka am Bauch, Brustkorb und Schulter verwundet. Interessanterweise wurde er während seines Krankenhausaufenthalts und Rehabilitation in Donbass mehrmals zur Hauptfigur der Videoreportagen von „Neurussland“-Propagandisten.
⁃ Schwer verletzter Kämpfer der Einheit „Pjatnaschka“ Jugra, 30 Juli 2015: https://youtu.be/l6mlOz5oW0U
⁃ „Pjatnaschka“-Kämpfer Jugra erzählt über die Schlacht um Marjinka, wo er schwer verwundet wurde, 4 August 2015: https://youtu.be/tRsUHUpgwHY
„Hallo, Moskau!“
Nach der ersten medizinischen Behandlung und Rehabilitation und unter Berücksichtigung dessen, dass Chworostjanow von russischen Propagandisten als „Freiwilliger aus Pjatnaschka“ bereits bekannt gemacht worden war, wurde er im Oktober 2015 zur I. Tagung des „Vereins von Donbass-Freiwilligen“ geschickt, wo ihm die Ehre zuteil wurde, sich mit dem „legendären“ Speznas-Kämpfer „Gjursa“ fotografieren zu lassen.
Später, vemutlich im November-Dezember 2015, benötigte Chworostjanow eine zusätzliche medizinische Rehabilitation, die er im 451. Militärkrankenhaus des russischen Verteidigungsministeriums auf der 201. Militärbasis in Tadschikistan gemacht hatte, was das Video mit seinem eigenen Kommentar olympic.boy 451ВКГ belegt. Diese Umstände bestätigen ein weiteres Mal, dass Chworostjanow während seines Donbass-Aufenthalts als „Pjatnaschka“-Söldner zugleich zum Personalbestand der 201. Militärbasis RF in Tadschikistan gehörte, denn die Verpflichtungen bezüglich seiner medizinischen Rehabilitation trug das russische Militärkrankenhaus in Duschanbe.
Karriereaufschwung des Donbass-Veteranen: Aus der Artillerie in die Aufklärung
Per 19. Januar 2016 wird Chworostjanow in der Uniform der russischen Streitkräfte mit einem Chevron der 201. Militärbasis registriert. Ein Monat später posiert er bereits mit dem Chevron des Zentralen Militärbezirks – solche Chevrone tragen die Militärangehörigen der 28. SMSBr aus Jekaterinburg. Man sollte auch das Foto mit dem Auszug aus der Dienstcharakteristik unseres Untersuchungsobjekts erwähnen, die höchstwahrscheinlich kurz nach seiner Versetzung aus der 201. Militärbasis zurück in die 28. Brigade geschrieben worden ist. Dort figuriert Michail Chworostjanow in der Dienststellung eines Aufklärers des Kommandozugs der 2. Haubitzen-Artilleriedivision (Militäreinheit 61423, dieselbe 28. SMSBr).
Wie oben bereits erwähnt, besitzt Chworostjanow einen Dreijahresvertrag für den Dienst in den russischen Streitkräften, der im Herbst 2016 ausläuft. Das belegt ein 5 Monate alter Kommentar von Chworostjanow.
Der letzten Fotoserie vom Juli 2016 nach, wurde Chworostjanow aus der Artillerie in ein Aufklärungsbataillon versetzt. Er wurde u.a. mit Chevron der militärischen Aufklärung und in einem gestreiften Matrosenhemd abgelichtet – den charakteristischen Elementen der Uniform einer russischen militärischen Aufklärungsabteilung. Außer Fotos mit der genannten Symbolik, gibt es auch ein Video, das unser Untersuchungsobjekt zum selben Zeitpunkt aufgenommen und hochgeladen hat. Im Video ist eine Gruppe von Militärangehörigen zu sehen, die auf dem Übungsplatz der 28. Brigade in Jekaterinburg die gleichen Feldabzeichen der militärischen Aufklärung tragen.
Es ist durchaus möglich, dass Chworostjanow in die neue strukturelle Einheit seiner Schützenbrigade eingeteilt wurde – eine Luftlande-Aufklärungskompanie im Aufklärungsbataillon, dessen Aufstellung in den russischen motorisierten Schützenbrigaden von InformNapalm neulich im Artikel „Kurs auf Aggression: Neue Luftlande-Aufklärungskompanien im Bestand der russischen Bodentruppen“ beschrieben worden ist.
Die neue Rolle von Michail Chworostjanow als Aufklärer ist durchaus erklärbar: er wurde auf diese Weise befördert und für die Arbeit als Ausbilder angeheuert, damit er seine Erfahrung mit den jungen Soldaten teilt. Das belegen die neusten Fotos, die während des Unterrichts aufgenommen wurden, u.a. beim Erlernen von Umgang mit binokularem Entfernungsmessgerät, Pionierwesen und Schießen, auf denen unser Untersuchungsobjekt in der Rolle eines Mentors auftritt.
Wir weisen darauf hin, dass es nicht die erste Registrierung von russischen Militärangehörigen der 201. Militärbasis im Donbass ist. Im Frühling 2016 erhielt unsere Gemeinschaft im Ergebnis eines Hackerangriffs viele Daten, die uns erlaubten Jaroslaw Wolkow – einen Militärangehörigen der 201. Militärbasis in Tadschikistan zu identifizieren (Siehe:„Humanitäre Hilfe aus Russland“: Aufgebrochener Briefwechsel eines russischen Zeitsoldaten im Donbass“).
Die 28. selbstständige motorisierte Schützenbrigade der russischen Streitkräfte ist bereits mehmals ins Blickfeld von InformNapalm geraten. Wir haben die Militärangehörigen aus den Kampfgruppen dieser Einheit auf ihren „rostow-ukrainischen“ und „neurussisch-syrischen“ Dienstreisen festgehalten. Ausserdem haben wir die Verlegung der 28. Brigade aus Jekaterinburg ins Brjansker Gebiet Russlands bekanntgemacht.
28. SMSbr in der Ukraine:
- Возвращение 28-й отдельной мотострелковой бригады из Екатеринбурга в Ростовскую область, в состав группировки Сил вторжения, vom 13. November 2014
- Какие следы оставляют российские Силы вторжения на декабрьском снегу, vom 8. Dezember 2014
- „28. Brigade aus Jekaterinburg trauert während „Manöver im Rostower Gebiet“ um ihre gefallenen Dienstkollegen…“, vom 22. Januar 2015
- Спектакль?! “Пора домой” на железнодорожных путях и аэродроме в Белгороде vom 12. März 2015
- Ein Offizier der 28. Raketendivision der Streitkräfte Russlands wurde mit einer Medaille für Morde an den Ukrainern ausgezeichnet, vom 15. Dezember 2015
- „Ukrainische Dienstreise“ einer Aufklärungskompanie der 28. Brigade aus Jekaterinburg, vom 19. März 2016
- Neue russische Militärbasen an der Grenze zur Ukraine. Teil 1: Klinzy, vom 19. April 2016
- 28. motorisierte Schützenbrigade aus Jekaterinburg wird nach Klinzy verlegt, vom 30. Mai 2016
Die 28. SMSBr in Syrien
- It Is Hard To Survive in Syria Without A Passport. Russian 28th Brigade in Syria, vom 10. November 2015
- Russland versinkt in seiner Bodenoperation in Syrien, vom 10. November 2015
Dieses Material wurde von Irakli Komakhidze exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Zoya Schoriwna/ Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
One Response to “„Figaro“: Ein Feldwebel der russischen 28. Brigade im Donbass”
21/10/2016
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