Fotos von Auszeichnungsurkunden in sozialen Profilen von russischen Militärangehörigen helfen nicht nur, ihre Teilnahme an Kriegsverbrechen außerhalb Russlands zu belegen sondern auch Korruptionsmuster zu entziffern, die in die höchsten Militärämter der russischen Armee führen.
Die Statistik der OSINT-Untersuchungen von InformNapalm zeigt, dass staatliche und dienstliche Kampfauszeichnungen bei der Suche nach russischen Kriegsverbrechern zu den wichtigsten Identifikationsmitteln zählen (wie für „Kampfverdienste“ vergebenen Medaillen und Orden sowie inoffizielle „Jubiläumsmedaillen“ als Symbole der Beteiligung an den militärischen Machenschaften des Kreml).
Zwischen März 2014 und August 2017 haben die Freiwilligen von InformNapalm über 170 Fälle offizieller Auszeichnungen von russischen Militärangehörigen registriert. Darunter wurden über 116 Medaillen und Orden für Kriegsverbrechen im Donbas ausgehändigt, etwa 19 für die Besetzung der Krim, 6 für die Invasion in Georgien und weitere 30 für Morde in Syrien. Informationen über alle ausgezeichneten Kriegsverbrecher wurden in einer Datenbank zusammengefasst sowie in Form einer Infografik und einer Videografik präsentiert.
Da seit dem Beginn des unerklärten Krieges gegen die Ukraine alle Angaben im russischen Auszeichnungsregister strenger Geheimhaltung unterliegen, sind unsere Listen Beweismittel für die Teilnahme von russischen Militärangehörigen an hybriden Konflikten. Diese Angaben werden bereits von einigen internationalen Organisationen und kompetenten Diensten anderer Länder genutzt.
„In Zchinwali war ich, in Latakia war ich… im Donbas?! Da war ich nicht“
Im nachfolgenden Artikel präsentieren wir Ihnen einen Amtsmedaillen-Träger aus einem Verband des Südlichen Militärbezirks der RF, der mit seiner Angeberei mit der Auszeichnung dem stellvertretenden Bezirksbefehlshaber ein Bein stellte.
Artjom Badambajew
Geboren am 1. März 1989 in Saransk, Mordwinien, Russland. In sozialen Netzwerken: VK (Archiv des Profils 2015, 2017; Fotoalben 2015, 2017; Kontakte 2015, 2017); OK (Profil inaktiv seit 2009).
Es ist bemerkenswert, dass Badambajew schon zuvor von uns identifiziert worden war. Unter anderem wurde sein Name unter der Nr. 25 in einer OSINT-Untersuchung vom 17. Dezember 2015 genannt, in welcher Angaben über 29 in Syrien identifizierte Militärangehörige der 291. Artilleriebrigade des Südlichen Militärbezirks aufgelistet wurden. Kurz nach jener Veröffentlichung haben die meisten Personen aus der Liste ihre Profile gelöscht oder gründlich gesäubert. Aber schon im Mai 2016 protzte Badambajew auf seiner Seite erneut mit Auszeichnungen, die früher in seinem Fotoalbum nicht bemerkt worden waren.
- Medaille des Verteidigungsministeriums der RF „Für Kampfverdienste“, Nummer der Auszeichnung: 6722, verliehen auf Grund eines Befehls des russischen Verteidigungsministers vom 2. März 2016. Die Auszeichnungsurkunde unterzeichnet vom Kommandeur der Militäreinheit 63345 (dieselbe 136. selbstständige motorisierte Schützenbrigade des Südlichen MB, Bujnaksk und Botlich, Dagestan), Oberst A.Gorlow. Diese Brigade der Streitkräfte der RF wurde schon des Öfteren bei „Kampfdienstreisen“ in den Donbas ertappt.
Anmerkung: Aus neuen Erkenntnissen folgt, dass der von uns unter den Artilleristen der 291. Artilleriebrigade in Syrien identifizierte Badambajew ein Militärangehöriger der den Artilleristen zugeteilten Fernmeldebataillonsabteilung der 136. motorisierten Schützenbrigade war.
- Die sogenannte „gesellschaftliche“ Medaille „Teilnehmer der Operation zur Nötigung von Georgien zum Frieden“ wurde 2008 gestiftet und kann heute von jedem im Internet für 520 Rubel erworben werden. Die Auszeichnungsurkunde für die Medaille wurde am 30. Mai 2013 vom Kommandeur der 58. Armee Generalmajor A.Gurulew unterzeichnet. Also erst fünf Jahre nach der russischen militärischen Invasion in Georgien im August 2008.
- Das sogenannte „gesellschaftliche“ Brustabzeichen „Für Kampfdienste bei den Streitkräften“, das ebenfalls zum Preis von 750 bis 2000 Rubel frei erworben werden kann. Und wieder wurde die Auszeichnungsurkunde von dem zuvor erwähnten Generalmajor A.Gurulew unterschrieben.
Die russische Regionalpresse berichtete Ende Juli 2017 auf den Seiten der mordwinischen Bezirkszeitung „Prisyw“ über ein „heroisches Dienstzeugnis“ Badambajews: seine Teilnahme an Kriegen in Georgien und Syrien. Im Artikel wurde noch eine „Auszeichnung“ Badambajews erwähnt – ein für 1700 Rubel frei erwerbliches Brustabzeichen „Für Dienst am Kaukasus“. Es ist interessant, dass sich selbst russische Sammler und Experten für Auszeichnungen über die Herkunft dieses Abzeichen nicht einig sind.
Badambajews Name wurde auch in den Anordnungen in dem an uns von der Ukrainischen Cyberallianz übergebenen Unterlagenpaket erwähnt. Eine Anordnung des Kommandeurs M/E 63354, Befehl 94 vom 30.04.14, Paragraph 6: „Als Dienstreiserückkehrer wieder in aktiven Dienst aufnehmen: №33. Unteroffizier Badambajew Artjom Muratowitsch, als Leiter der Funkstation R-149BMR des Führungszuges der vordersten Führungsstelle des Fernmeldebataillons in Uljanowsk, ab dem 30.04.14“.
Die Unterschrift des Befehlshabers und der Stempel auf den Formularen inoffizieller Auszeichnungen ist reine Laienkunst. Die Vorschriften zu diesen fiktiven Auszeichnungen setzen voraus, dass sie von Kommandeuren der Militäreinheiten, Armeen oder Bezirken vergeben werden können. Aber warum erst fünf Jahre danach? Vor allem, wenn Gurulew 2008 in keiner Beziehung zum Südlichen Militärbezirk stand. Es scheint ein gemeinsames Interesse des Ausgezeichneten und des Auszeichnenden zu sein – gewisse Tauschgeschäfte, die ein gängiges Korruptionsmuster bei hochrangigen Armeeoffizieren russischer Streitkräfte darstellen. Nach unseren Angaben ist diese Vorgehensweise in der russischen Armee nicht neu: Offiziere verdienen mit Dienst- und Zeitsoldaten mit allen möglichen Mitteln Geld, darunter auch mit der Vergabe von positiven Zeugnissen, verschiedenen Nachweisen oder Auszügen aus Befehlen, Auszeichnungsanträgen oder Anträgen auf Veteranenstatus usw.
In Anbetracht dieser Umstände sollte man im Kopf behalten, who is General Gurulew, dessen Unterschrift auf den Urkunden inoffizieller Auszeichnungen des Fernmeldefeldwebels der 136. SMSBr. Badambajew steht.
Im Jahre 2010, nach seinem Abschluss an der Akademie des Generalstabs, wurde Generalmajor Andrej Wiktorowitsch Gurulew zum Stabsleiter der 58. Armee des Südlichen Militärbezirks befördert. In 2012 wurde er zum Befehlshaber dieser Armee. Am 10. Juni 2013 wurde eine Strafanzeige gegen den Armeebefehlshaber Gurulew wegen des Verdachts der Machtüberschreitung erstattet (s. Links 1, 2, 3, 4). Jedoch fing Russland kurz danach den Krieg gegen die Ukraine an, und der vom Pech verfolgte General bekam eine Chance auf Nachsicht. Die Strafanzeige gegen Gurulew wurde fallengelassen, und im Dezember 2014 wurde er in den Rang des Generalleutnants befördert.
Nach der uns vorliegenden Daten übte der Kommandeur der 58. Armee des Südlichen Militärbezirks Generalmajor Gurulew das Kommando über da 1. und. 2 „Armeekorps“ über das 12. Reservekommando des Südlichen Militärbezirks aus. Kurz danach fungierte Gurulew als Initiator und Lobbyist in Fragen der Aufstellung einer neuen 150. motorisierten Schützendivision der 8. Armee des Südlichen Militärbezirks. Vor genau einem Jahr, im August 2016, wurde Gurulew zum stellvertretenden Bezirksbefehlshaber des Südlichen Militärbezirks befördert. So wird Gurulew in einer der russischen Quellen beschrieben: „Gurulew ist Daddys Söhnchen, mit einem silbernen Löffel im Mund geboren, ohne Kampferfahrung, dafür aber mit großen Ambitionen, Verbindungen und einer kriminellen Vergangenheit…“.
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie an eine kürzlich erschienene InformNapalm-Untersuchung erinnern: „Mythen&Realität: 150. Division der Streitkräfte Russlands im XXI. Jahrhundert„. Nach unserem Kenntnisstand ist die Situation in der 150. MSD nicht so optimistisch, wie die Kremlpropaganda sie darzustellen versucht. Neben den PR-Kampagnen, die die wachsende Stärke der russischen Armee und die Entstehung eines Angriffsmonsters in Form der 150. Division demonstrieren sollen, fühlen sich Hunderte von Zeitsoldaten belogen. In der Division werden unvorschriftsmäßige Beziehungen registriert, und Offiziere aller Ränge finden Gefallen an persönlicher Bereicherung sowohl am Personal als auch an materiellen standardmäßigen Gütern der Militäreinheit.
Wir schließen aus, dass das Bezirkskommando – darunter auch der Betreuer der 150. Division General Gurulew – angesichts der ständigen Überprüfungen und Inspektionen keine Ahnung von der tatsächlichen Situation in der Vorzeigedivision haben könnte. Anscheinend wurde die neue Division zu einer Melkkuh, die nicht nur Gurulews Korruptionsambitionen stillt, sondern auch die anderer hochrangiger Offiziere der russischen Armee.
Und Badambajew ist kein Einzelfall. Die Unterschrift von General Gurulew steht auch auf der Auszeichnungsurkunde zum Abzeichen „Für Kampfdienste bei den Streitkräften“ des Zeitsoldaten der 136. SMSBr. Semljanuchin, über die unsere Gemeinschaft in einer Untersuchung im April berichtete. Wir hatten auch früher darauf hingewiesen, dass russische Militärangehörige mit unechten Auszeichnungen protzen. So brüsteten sich beispielsweise ein in Donezk identifizierter Zeitsoldat der 18. SMSBr. namens Rewer mit einer Jubiläumsmedaille „Marschall der Sowjetunion Schukow“, deren Auszeichnungsurkunde von dem Kommandeur der Militäreinheit unterschrieben wurde, sowie ein im Nowoasowsk identifizierter Zeitsoldat der 17. SMSBr. namens Paschinin mit der sogenannten Medaille „Für Kampfheldentum“.
Zusammen mit Badambajew wurde noch ein weiterer Ausgezeichneter identifiziert: sein Dienstkollege beim Fernmeldebataillon der 136. SMSBr.
Andrej Lakman
Geboren am 3. Juni 1994 in Omsk. In sozialen Netzwerken: VK1 (Archiv des Profils, Fotoalben), VK2 (Archiv des Profils, Fotoalben, Kontakte), bazaman.
Unter Lakmans Fotos wurde eine Medaille des Verteidigungsministeriums RF „Für Kampfverdienste“ entdeckt, Auszeichnungsnummer 6737, vergeben auf Grund einer Anordnung des Verteidigungsministers vom 2. März 2016. Die Auszeichnungsurkunde wurde vom Kommandeur der 136. Brigade Oberst A.Gorlow unterschrieben.
Lakmans Name ist auch in den an uns von der Ukrainischen Cyberallianz übergebenen Anordnungen zu finden. Anordnung des Kommandeurs M/E 63354 Befehl 224 vom 19.09.14, Paragraph 6: „Betrachten als abgereist zu den bataillon-taktischen Militärübungen in der Botlich-Garnison ab dem 19.09.14: №65. Den Soldat Lakman Andrej Wiktorowitsch, Abteilungsmechaniker (der mobilen Funkmittel) des Fernmeldezuges (mobiler Funkmittel) der Fernmeldekompanie (der Führungsstelle) des Fernmeldebataillons. Veranlassen die Ausgabe der Verpflegungsration für 6 Tage“.
Somit haben wir zwei identische Auszeichnungen für Syrien (mit Registernummern 6722 und 6737) entdeckt, die an die Militärangehörigen des Fernmeldebataillons der 136.SMSBr. vergeben wurden. Da die Anordnungen zur Auszeichnung des Personalbestandes einer strikt festgelegten Form und Reihenfolge entsprechen müssen, kann man mit Sicherheit behaupten, dass auf die Anordnung vom 2. März 2016 hin weitere 15 Fernmelder der 136. Brigade mit der Medaille „Für Kampfverdienste“ ausgezeichnet wurden.
Wir möchten Sie daran erinnern, dass es schon zuvor Skandale um das Fernmeldebataillon der 136. SMSBr. gegeben hatte. Zum Beispiel hatten wir auf der Basis der von der Ukrainischen Cyberallianz übergebenen Unterlagen eine Untersuchung initiiert, bei der es uns gelungen ist, Fernmelder dieses Verbandes auf dem besetzten Territorium des Donbas zu identifizieren, s. „Fernmelder der 136. SMSBr. der Streitkräfte Russlands im Donbas: Listen, Unterlagen, Einsatzbefehle„.
Im Ergebnis dieser Untersuchung wird nicht nur unsere Datenbank mit den Namen neuer „Ausgezeichneten“ ergänzt, sondern die 136. SMSBr. wird nun auch in die Liste der von InformNapalm in Syrien identifizierten Verbände der russischen Armee und Kriegsmarine eingetragen, die zum jetzigen Zeitpunkt bereits 19 (!) Truppenverbände beinhaltet:
- Baltische Flotte: 336. Marineinfanteriebrigade (879. Luftsturmbataillon derselben Brigade);
- Nordflotte: 200. SMSBr und 61. Marineinfanteriebrigade;
- Schwarzmeerflotte: 810. Marineinfanteriegbrigade;
- Westlicher Militärbezirk: 27 SMSBr, 20. ABC-Regiment (ТОS-1А), 1. Pionierbrigade, 2. MSD;
- Östlicher Militärbezirk: 200. Artilleriebrigade;
- Zentraler Militärbezirk: 21. SMSBr, 28. SMSBr, 74. SMSBr, 7. Panzerbrigade und 120. Artilleriebrigade;
- Südlicher Militärbezirk: 34. SMSBr, 7. Militärbasis, 291. Artilleriebrigade, 66. Nachrichtenbrigade und 136. SMSBr..
Dieses Material wurde von Irakli Komakhidze exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko; editiert von Irina Schlegel/ Klaus H. Walter.
Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich (Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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